Der Islamismusverdacht belastet das Zusammenleben

Die Unterscheidung muslimischer Religiosität und Islamismus fällt Nicht-Muslimen schwer. Besonders die Anschläge vom 11. September 2001 schürten das allgemeine Misstrauen.

Der Wandel seit dem 11. September 2001

In den vergangenen zwei Jahren (nach dem Anschlag der Al Qaida auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001) sind Muslime wegen der Terroranschläge fundamentalistischer Islamisten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Eine kleine, radikale Minderheit versucht, ihre Vorstellungen mit grausamen Anschlägen durchzusetzen.

Angst vor islamistischem Terror in Europa

Besonders die jüngsten Terroranschläge in Istanbul haben große Angst ausgelöst, dass ähnliche Anschläge auch in Europa oder Deutschland geschehen könnten. Das verheißt schwierige Zeiten für hier lebende Muslime, die nun noch mehr Vorurteilen begegnen müssen als bislang. Dabei betonten die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland und die Menschen in der Türkei nach den Anschlägen in Istanbul ihr Unverständnis und ihre Ablehnung der Ziele dieser islamistischen Gruppen. In der Öffentlichkeit bestimmen die radikalen Gruppen das Bild des Islam und schüren so eine ablehnende Stimmung gegen alles Muslimische. Viele Menschen differenzieren nicht zwischen kleinen, fanatischen Gruppen und der großen Mehrheit friedlicher Muslime, die in Europa leben.

Der Kalif von Köln

Allerdings ist es für radikale Gruppen gerade wegen der liberalen Gesetze in Europa relativ einfach, sich hier zu organisieren. Die Polizei hat es nicht leicht, diese Gruppen zu verfolgen, und die Justiz hat oft nicht die Mittel, sie zu verbieten. Eine radikale islamische Sekte wirkte jahrelang von Köln aus - ihr Chef, der selbst ernannte "Kalif von Köln", predigte Hass und Gewalt. In seinem Heimatland, der Türkei, suchte ihn die Polizei, doch in Deutschland stand er unter dem Schutz des Grundgesetzes, das ihm Religionsfreiheit und freie Meinungsäußerung garantiert. Erst als der Sekte ein Aufruf zum Mord nachgewiesen wurde, wanderte ihr Oberhaupt Metin Kaplan ins Gefängnis. Inzwischen ist er wieder frei und streitet über seine Ausweisung in die Türkei vor Gericht.

Die "König-Fahd-Akademie" in Bonn

Ein weiterer Fall aus der jüngsten Vergangenheit ist die "König-Fahd-Akademie" in Bonn. Die Regierung von Saudi Arabien betreibt die Schule eigentlich für die Kinder von Angehörigen der Botschaften arabischer Länder. Da sie oft nur wenige Jahre in Deutschland verbringen, sollen sie die gleiche Ausbildung erhalten können wie in ihren Heimatländern. Doch im Sommer fanden Journalisten heraus, dass unter den Lehrern fundamentalistische Prediger waren, und dass zunehmend auch fest in Deutschland lebende Muslime ihre Kinder auf die Schule schickten. Die Aufregung war beträchtlich, schließlich trägt die Ausbildung an der Schule, die hauptsächlich in arabischer Sprache stattfindet und einen starken Schwerpunkt auf den Koranunterricht legt, nicht gerade zur Integration muslimischer Kinder in der deutschen Gesellschaft bei.

Gegenseitige Aufklärung und Annäherung sind wichtig

Solche Fälle haben dem Ansehen des Islam in letzter Zeit geschadet und das Verhältnis zwischen den muslimischen und den nicht-muslimischen Bürgern belastet. Die bekannten Negativbeispiele erregen in den Medien beträchtliches Aufsehen, und da sich nur wenige Menschen ohne Vorbehalte über ihre muslimischen Nachbarn informieren, entstehen Vorurteile. Leidtragende sind die Millionen Muslime, die als ganz normale Mitbürger in Deutschland leben. So ist auf beiden Seiten noch einiges an Aufklärungsarbeit und gegenseitigem Kennenlernen nötig, damit sich das Verhältnis von Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland entspannt. Der Tag der offenen Moschee, der jedes Jahr im Oktober organisiert wird, ist nur ein Beispiel dafür, sich über einander zu informieren und Hemmschwellen zu überwinden. Vielleicht kommen dann selbst Politiker wie Henry Nitzsche zu schlaueren Urteilen über ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger.

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W. Bauchhenß und M. Bornkessel

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