Umfrage: Leistungsbeurteilung im Corona-Jahr schwierig für Lehrkräfte

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veröffentlicht am 22.07.2021

Aufgrund der Pandemie und des langen Distanz-Unterrichts mussten Lehrkräfte im Schuljahr 2020/21 teilweise neue Wege einschlagen, um den Leistungsstand ihrer Lernenden zu ermitteln. In einer bundesweiten Umfrage hat Lehrer-Online kurz vor den Sommerferien erfragt, wie Lehrkräfte die Leistungsbeurteilung und Notenvergabe für die Schulzeugnisse im Corona-Schuljahr bewerten. An der Umfrage beteiligten sich Lehrkräfte aller Schulformen, -stufen und -fächer aus ganz Deutschland.

Aussagekräftige Notenvergabe nur schwer möglich

Den Leistungsstand ihrer Lernenden im Distanz-Unterricht zu ermitteln, fiel der Hälfte der Lehrkräfte schwer. Lediglich 20 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer gaben an, dass sie eher keine Probleme mit der Leistungsbeurteilung im Fernunterricht hatten. Auch ergab die Umfrage, dass über 20 Prozent der Befragten sich dieses Schuljahr nicht in der Lage fühlten, ein aussagekräftiges Schuljahresendzeugnis zu erstellen. 

Begründet wurde dies beispielsweise damit, dass es oft schwierig war, das Aufmerksamkeitslevel der Lernenden im Distanz-Unterricht kontinuierlich zu erfassen, besonders aufgrund häufiger technischer Schwierigkeiten. Auch die fehlende Möglichkeit, die psychische Verfassung der jeweiligen Lernenden in die Vergabe der Schulnoten einfließen lassen zu können, wurde als einer der Gründe genannt, weshalb Lehrkräften die Notenvergabe für die Zeugnisse in diesem Schuljahr schwerfiel. Eine weitere Ursache sehen die Befragten darin, dass sie nicht nachvollziehen konnten, inwiefern Eltern oder ältere Geschwister im Distanz-Unterricht bei der schriftlichen Bearbeitung von Aufgaben geholfen haben.

Noten-Qualität nicht vergleichbar mit "normalen" Schuljahren

Lehrkräfte tendierten im vergangenen Jahr dazu, eher mildere Noten zu vergeben; das bestätigten 77 Prozent der Befragten. Auch gab über die Hälfte der Umfrage-Teilnehmenden an, dass die diesjährigen Schulnoten in ihrer Qualität nicht oder nur teilweise an den normalen Standard vor dem Corona-Lockdown herankommen.

Erfahrungen mit alternativen Leistungsnachweisen im Corona-Schuljahr

Viele Lehrkräfte gaben an, Leistungsnachweise während des Distanz-Unterrichts in alternativer Form angeboten zu haben, zum Beispiel in Form von Portfolio-Arbeit. Hier machten die Befragten auch viele positive Erfahrungen – besonders bei den Lernenden, die bei schriftlichen Tests und Klassenarbeiten im Präsenz-Unterricht normalerweise eher schlecht abschneiden, weil sie sich nicht gut konzentrieren können oder unter Prüfungsangst leiden. Diese Schülerinnen und Schüler profitierten häufig vom Distanz-Unterricht.

Fazit: Forderungen einer neuen Lern- und Feedback-Kultur

Vermisst haben Lehrkräfte in der Zeit der Schulschließungen vor allem klare rechtliche Rahmenbedingungen und Regeln im Hinblick auf die Leistungsbewertung im Distanz-Unterricht. Deutlich gefordert wurden dabei neue, zeitgemäße Wege der Erarbeitung von Lernstoff und dessen Bewertung. Im Mittelpunkt steht hier das eigenständige, interessengeleitete, kollaborative und kompetenzorientierte Erarbeiten von Inhalten mit Raum für Flexibilität.

Das folgende Zitat eines Umfrage-Teilnehmers bringt dies auf den Punkt:

"MEIN WUNSCH FÜR DIE ZUKUNFT: weiterhin flexibel sein und auch bleiben; starre Muster verlassen; Hereinholen der realen Welt der Kinder ins Klassenzimmer; Neues und Technologien als Bestandteil des Lebens anerkennen und als
einen Baustein (neben vielen anderen) mit in den Unterricht einbeziehen und deren Berechtigung akzeptieren."

Die Diskussion um eine neue Lern- und Feedback-Kultur für Schule und Unterricht ist im vergangenen Jahr besonders heiß entbrannt. Aktuell findet sehr viel Austausch dazu statt, zum Beispiel im Rahmen von Hackathons, Barcamps und digitalen Messen. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen wie: Braucht Schule überhaupt Noten? Wie kann intrinsische Motivation auch ohne das Belohnungssystem Note entstehen? Und wie muss Feedback in einer Kultur der Digitalität gestaltet werden?

Bund und Länder müssen auf dieser Basis nun schleunigst Lösungsansätze in Form von Konzepten, Rahmenbedingungen und Materialien schaffen. Für ein einfaches "Weiter so" sind die Forderungen mittlerweile definitiv zu laut geworden.

*Insgesamt haben 97 Lehrkräfte an der Umfrage teilgenommen, darunter 4 Grundschullehrkräfte, 18 Lehrkräfte an Hauptschulen und Realschulen, 18 Lehrkräfte an Gesamtschulen, 30 Lehrkräfte an Gymnasien, 30 Lehrkräfte an beruflichen Schulen und 8 Lehrkräfte an sonstigen Schulformen (Mehrfachnennungen waren möglich).

Mit den erhobenen Daten erheben wir selbstverständlich keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern können anhand der Umfrage-Ergebnisse lediglich einen möglichen Trend aufzeigen, der nun an einer wesentlich größeren Stichprobe und bestenfalls mit einer umfangreicheren Befragung näher untersucht werden müsste.