Kinder und Jugendliche komponieren mit digitalen Medien
Unterrichtseinheit
Der Unterrichtsvorschlag verdeutlicht, wie man mit Schülerinnen und Schülern nach Klängen, Rhythmen und anderen kompositorischen Werkzeugen suchen kann, um mithilfe einer Notationssoftware nach wenigen Unterrichtsstunden gemeinsam eine Partitur zu erstellen. Kinder und Jugendliche werden in der heutigen Zeit von musikalischen Einflüssen geradezu überflutet. Früher oder später entwickeln sie ihren eigenen Musikgeschmack. Ihnen zu helfen, ihre eigene Musik zu schaffen, ganz egal, welcher Musikrichtung sie zuzuordnen ist, bringt viel Motivation und Abwechslung in den Alltag des Musikunterrichts. Je besser man technisch ausgestattet ist, desto leichter fällt es, die Ideenflut der Lerngruppe sofort zu ordnen, zu hinterfragen und zu notieren. Keine Angst vor Computern! Ein flexibles und schnelles Notationsprogramm wie zum Beispiel Sibelius bietet eine enorme Hilfestellung für Lehrerinnen und Lehrer, sei es, weil sie oder er selbst damit arbeitet oder weil die Schülerinnen und Schüler damit meist schon umzugehen wissen. Der Vorteil: Die Flexibilität der Software ist so ausgeprägt, dass dabei für den kreativen Teil die meiste Zeit zur Verfügung steht. Kreativität ausleben Die Kinder und Jugendlichen sollen in ihrer Kreativität völlig frei wirken können. Dazu gehört, dass man ihre Ideen ernst nimmt und sie gemeinsam mit ihnen fortspinnt. Die Kinder verfassen in diesem Projekt daher in Gruppen gemeinsam eine Partitur. Dabei sollen sie gezielt daran arbeiten, wie sie sich schwarz auf weiß verständlich ausdrücken können, so dass Mitschüler das Notenbild ohne Probleme verstehen. In diesem Prozess wird improvisiert, mit Tonbändern und selbstgebauten Instrumenten gespielt. Raum für selbstständige Entscheidungen Die Technik der Komposition sollen die Schülerinnen und Schüler selbst wählen. Wichtig ist nur, dass man ein funktionierendes und schnelles System hat, um ihre Gedanken sofort festhalten und in geordneter, leserlicher Form zu Papier bringen zu können. Die Klasse soll erkennen, dass der moderne Komponist seine Arbeit durchaus (besser) mithilfe der heutigen, technischen Mittel durchführen kann. Ein Notationsprogramm ist dabei unverzichtbar. Zum Schluss des Projekts könnte ein Konzert stattfinden, sofern die Gruppe das will. Auch diese Entscheidung bleibt den Schülerinnen und Schülern selbst überlassen. Zum Projektverlauf Nähere Informationen zum Ablauf der Unterrichtseinheit Ergebnisse Die Kreativität der Kinder nimmt freien Lauf. Die Schülerinnen und Schüler sollen den Wert eines musikalischen Gedankens und dessen Entwicklung erkennen. eigene Ideen diskutieren und gegenüber dem Rest der Gruppe verteidigen. Grundfragen der Notation klären (muss nicht in der Notensprache sein!). in die Arbeit mit einem Notationsprogramm eingeführt werden. mit dem Notationsprogramm arbeiten und Nutzen aus dessen Schnelligkeit sowie Flexibilität ziehen. Thema Kinder und Jugendliche komponieren mit neuen Medien Autor Wolfgang Zamastil Fach Musik, Kunst (Fotos, Anregungen aus der bildenden Kunst), instrumentale Fächer (an Musikschulen), Zielgruppe ab 7 Jahren aufwärts Vorkenntnisse Notenkenntnisse sind nicht erforderlich, aber wünschenswert. Zeitraum 3 bis 4 Doppelstunden (100 Minuten) Medien Notationssoftware Sibelius 3 Preis der Software 455 € Sibelius 3, Einzelplatzlizenz, Schulversion 899 € Sibelius 3, Lizenz für fünf Arbeitsplätze, Schulversion 1.545 € Sibelius 3, Lizenz für zehn Arbeitsplätze, Schulversion Technische Vorraussetzungen Ein oder mehrere Computer, Drucker, Klavier, wenn möglich auch ein Midi-Keyboard, Stereoanlage mit Mikrofon (ist aber nicht unbedingt nötig) Die folgende Verlaufsskizze bezieht sich auf den einwöchigen Unterricht einer Gruppe mit 8- bis 11-jährigen Schülerinnen und Schülern an einer spanischen Musikschule. Da die musikalische Ausbildung der Kinder in dieser Gruppe bis auf zwei Ausnahmen noch eher spärlich bis gar nicht ausgeprägt war, eignet sich dieses Beispiel gut, um die Anwendung des Notationsprogramms in einer Gruppe ohne Vorkenntnisse zu veranschaulichen. Ideensammlung fördert Motivation Grundsätzlich sollten die Schülerinnen und Schüler dazu motiviert werden, zuhause Ideen für ein musikalisches Thema zu sammeln und - ganz gleich wie - festzuhalten, um sie in der nächsten Unterrichtsstunde vorzustellen. Den Kindern sollte vorher allerdings klar gemacht werden, was erreicht werden kann. Gemeinsam sollte die Lehrkraft mit ihnen besprechen, wie und mit welchen technischen Mitteln man vorgeht. Diese Dinge sind vom Alter der Kinder und Jugendlichen abhängig. So einigt man sich mit den jüngeren Gruppen meist darauf, eine Geschichte mit Geräuschen und Melodien zu erfinden, aber Vorsicht: Es droht eine Ideenflut! Je älter die Gruppe ist, umso abstrakter und konkreter wird das Stück und umso mehr Diskussionen finden statt. Zur Einstimmung dient das Motivations- und Arbeitsblatt mit Informationen zum Suchen und Festalten von musikalischen Ideen, Klängen oder Geräuschen und der Aufgabe für die erste Unterrichtsstunde (siehe Download). Ideen austauschen und diskutieren Wer ein Instrument spielt, der nimmt es in dieser Stunde mit in den Unterricht. Meist schreiben die Kinder für ihr Lieblingsinstrument, also für ihr eigenes, Ideen auf. Kleine Ideenfetzen werden dann gemeinsam zu einem Haufen zusammengetragen. Womöglich haben einige von ihnen gar nichts vorbereitet. Diese Kinder werden spätestens in der zweiten Unterrichtsstunde sehr neugierig, wenn sie entdecken, dass sie selbst auch etwas beitragen können. Die Gruppe diskutiert die verschiedenen Ideen. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Frage wichtig, wie man ein homogenes Stück daraus basteln kann. Die Kinder, die ihre Instrumente dabei haben, beginnen, nach Klängen zu suchen. Das Klavier ist dabei eines der geheimnisvollsten Mittel, eigenartige Klänge zu produzieren. Technik entdecken Während der Diskussion der Ideen und des Ablaufs stellte sich bei dem beschriebenen Projekt die Frage der Notation. Diego, 11 Jahre alt, hatte zum Erstaunen der anderen seine Idee mit dem Notationsprogramm Sibelius komponiert. Mitten im Geschehen stand auch der Computer der Lehrkraft, die dasselbe Programm geöffnet hatte. Einfach und schnell lässt sich nämlich mit Sibelius 3 mit drei Mausklicks eine leere Partitur erstellen. Die Instrumente können darin ihrer Reihenfolge nach angeordnet werden, der Takt wird festgelegt. Viele Schülerinnen und Schüler standen um den Computer herum und stellten Fragen zum Umgang mit dem Programm, einige andere suchten gleichzeitig noch nach Klängen am Klavier. Aus Symbolen werden Geräusche Dann schrieben wir den Beginn des Stückes. In zwei Minuten wurden die ersten Melodien eingegeben. Nach dem ersten Anhören über den Computerlautsprecher wurden Tempo, Lautstärke und Spielanweisungen eingefügt. Wir versuchten, einfache Symbole für unsere Geräusche zu finden. Dafür gibt es eine große Symbolpalette in Sibelius. Man kann sie aber nicht hören, sondern muss sie sich vorstellen. Die Länge der Geräusche lassen sich entweder grafisch oder mit Notenwerten bestimmen (siehe Abbildung 1). Nachbereitung wird erleichtert Ideen oder ganze Stücke der Schülerinnen und Schüler, die im Unterricht abgesprochen werden, kann die Lehrkraft nach dem Unterricht an die richtige Stelle der Partitur platzieren. Es würde zu lange dauern, sie während des Unterrichts abzuschreiben, dauert mithilfe der Software aber nicht halb so lange wie bei einer Abschrift per Hand. In der folgenden Stunde legt der Lehrer oder die Lehrerin dann die Neuversion des Stückes vor (siehe Abbildung 2), ändert etwas oder fügt die neu herangetragenen Dinge gemeinsam mit der Klasse hinzu. Ohne Radiergummi oder Zettelwerk, einfach im Programm. Feilen bis zum Schluss Wir konkretisierten die Komposition so von Stunde zu Stunde, und die Partitur wurde immer umfangreicher. Meist wollen die Kinder bald fertig werden. Deshalb kümmert man sich in der letzten Stunde um einen schönen Abschluss und den runden Ablauf des Stückes auf der Bühne. Wenn die Schülerinnen und Schüler ihr Stück aufführen wollen, stehen Proben an. Auch dann wird noch an der Partitur gefeilt, denn manche Details lassen sich doch nicht so leicht umsetzen wie gedacht. Die Kinder haben im Laufe des Projekts gelernt, wie sie ihre Ideen organisieren und den musikalischen Ablauf mithilfe des Computers auf Papier festhalten können. Das Ergebnis ist ein komplett zeitgemäßes Stück, total verrückt, amüsant, tonal, atonal, geräuschvoll, verträumt und selbst gespielt. Und das in drei Doppelstunden! Im Schlusskonzert spielten alle Kinder aus der Partitur. Die 8- bis 11-Jährigen haben sie aus einem von Carlota (11) komponierten Stück für Cello solo entwickelt, das den Namen "La voz de cuenta cuentas" (Die Stimme eines Geschichtenerzählers) trägt. Hier einige Ausgewählte Motive der Geschichte: Das alte Haus im Wald Carlota hat die Grundfunktionen der Notation mit dem Computer begriffen und ihr Stück auch mithilfe von Sibelius notiert. Ihre Geschichte handelt von einem alten Waldhaus, in dem ein Jäger wohnt, und selbstverständlich von der Tierwelt rundherum. Mond und Schlange Claudia (11) komponierte den Mond für Klavier und der gleichaltrige Diego eine Schlange, die in den Büschen verschwindet - für drei Flöten, ein von Selma (8) speziell gebasteltes Instrument und die beiden Pflanzen, die auf der Bühne stehen. Die Hasenjagd Dazu komponierte die Gruppe gemeinsam die Jagd auf einen kleinen Hasen, den der Jäger in einen großen Sack steckt. Am Computer war das schnell erledigt. Der Schwan auf dem See Gabriel (8) hat einen Schwan für Cello komponiert, der am stillen See seine Kreise zieht. Außerdem hat er das Ende der Geschichte für Flöte und Klavier geschrieben, wo der Jäger von den Tieren zur Strafe im See versenkt wird.