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Osterweiterung: Die Europäische Union wächst

Unterrichtseinheit

Europa wächst - und eine neue Generation wächst hinein. Viele Ihrer Schülerinnen und Schüler werden 2004 mit stimmen, wenn 25 Staaten das neue Europäische Parlament wählen. Mit diesen Fakten und Unterrichtstipps bereiten Sie sie auf eine große Gemeinschaft vor.In der vorliegenden Unterrichtseinheit soll grundlegendes Wissen über die EU-Erweiterung vermittelt werden. Die SchülerInnen sollten sich zunächst über die Beitrittskandidaten informieren. Ausgehend vom Basisartikel lassen sich verschiedene Interessen der jetzigen EU-Staaten und der Beitrittskandidaten feststellen und diskutieren. Das Problem des Vetos im Ministerrat illustriert den komplizierten institutionellen Aufbau der Europäischen Union; dieses Thema kann bei Bedarf weiter vertieft werden. Grundlagen In der vorliegenden Unterrichtseinheit soll grundlegendes Wissen über die EU-Erweiterung vermittelt werden. Die SchülerInnen sollten sich zunächst über die Beitrittskandidaten informieren. Ausgehend vom Basisartikel lassen sich verschiedene Interessen der jetzigen EU-Staaten und der Beitrittskandidaten feststellen und diskutieren. Das Problem des Vetos im Ministerrat illustriert den komplizierten institutionellen Aufbau der Europäischen Union Am Beispiel recherchieren Die Anzahl der Beitrittsländer mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen lässt ahnen, wie viel Stoff erarbeitet werden muss, um sich ein differenziertes Bild der Problematik machen zu können. Daher bietet es sich an, entweder nur ein Land (etwa Polen, siehe Linkliste) exemplarisch auszuwählen, oder die SchülerInnen nach einem vorgegebenen oder von ihnen erstellten Fragenraster in Gruppenarbeit die wichtigsten Probleme und Chancen für den Beitritt herauszuarbeiten. Diskussion Ausgewählte Links zu Presseberichten und Hintergrundartikeln dienen einer zusätzlichen Vertiefung und Bearbeitung von Argumenten und Positionen. So können fundierte Diskussionen geführt werden, bei denen es - z. B. in den Debatten um den Beitritt der Türkei und um die Strukturhilfen - möglich ist, in Gruppenarbeit verschiedene Positionen zu erarbeiten und in einer Abschlussdiskussion zu vertreten. Diese kann offline sowie als Online-Forum oder Chat durchgeführt werden. Einstieg ins Thema: Die Europäische Union wächst Ein kurzer Überblick über die Erweiterung nach Osten Dieser Basisartikel zum aktuellen Thema kann das grundlegende Material Ihrer Unterrichtseinheit sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen die wichtigsten Thesen aus dem Basistext herausarbeiten und die Informationen im Internet recherchieren, die ihnen zum richtigen Verständnis des Textes fehlen. im Internet nach grundlegenden (politischen und historischen) Informationen zu den Beitrittsländern suchen und diese präsentieren. erkennen, welche Probleme und Chancen aus der Erweiterung der EU entstehen können. am Ende der Unterrichtsreihe in der Lage sein, sich eine eigene Meinung zu der Diskussion zu bilden. ihre Meinung in einem Chat schnell und punktgenau formulieren. Im Herbst 2002 wurde ein weiteres Kapitel europäischer Geschichte geschrieben: Die Europäische Kommission empfahl den Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten. Im Dezember 2002 wollen die Staats- und Regierungschefs der Altmitglieder den Beitritt im Europäischen Rat in Kopenhagen offiziell beschließen. Dann bleibt noch ein Jahr, bis die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Polen, Malta und Zypern beitreten. Artikel bei europa-digital Erweiterung nach Osten Acht der Beitrittskandidaten sind osteuropäische Staaten, die früher unter sowjetischer Vormundschaft standen. Damit breitet sich die EU über ganz Osteuropa bis an die Grenze Russlands aus. Deutschland rückt geografisch ganz in die Mitte der Gemeinschaft. Die Staaten aus dem ehemals sowjetischen Machtbereich haben in den fast fünfzehn Jahren seit dem Untergang der Sowjetunion gewaltige Anstrengungen unternommen, um den EU-Beitritt zu schaffen. Bis 2004 müssen sie die strengen wirtschaftlichen Kriterien der Union erfüllen - dabei war nach 1990 meist die gesamte Wirtschaft zusammengebrochen. Schon in den letzten Jahren passten sie zudem ihre Normen und Gesetze an europäische Standards an und mussten zahlreiche, auch unpopuläre Reformen umsetzen. Kandidaten erwarten weiteren wirtschaftlichen Aufschwung Die neuen EU-Nachbarn versprechen sich von ihrem Beitritt eine weitere wirtschaftliche Konsolidierung. Sie werden gleichwertige Handelspartner aller anderen EU-Staaten, Zollgrenzen und andere Handelsbeschränkungen fallen weg. Natürlich wollen die Neuen ihre nationalen Währungen auch bald durch den Euro ersetzen, doch das wird noch etwas dauern: Vorher müssen sie zwei Jahre lang unter Beweis stellen, dass ihre alte Währung stabil ist. Besonders wichtig für die ehemaligen Ostblockstaaten: Sie profitieren von der Solidarität der EU-Partner und erhalten Hilfen für den Aufbau einer modernen Infrastruktur. Doch wo es um viel Geld geht, stößt auch die Solidarität an ihre Grenzen. Langwierige Diskussionen um die Finanzen erschwerten die Beitrittsverhandlungen. Schon heute erhalten ärmere EU-Staaten wie Spanien oder Portugal Gelder aus dem gemeinsamen EU-Topf. Sie konnten dadurch ihre Länder in den letzten Jahren enorm modernisieren. Vor dem Beitritt der neuen Partner befürchteten sie, weniger Geld zu bekommen. Zugleich sorgten sich die Staaten, die nur in den Topf einzahlen, sie müssten künftig noch höhere Beträge in die gemeinsame Kasse abführen. Weitere Reformen müssen bis 2004 angegangen werden Nicht nur für die Beitrittskandidaten bedeutet der EU-Beitritt also große Anstrengungen, auch die jetzigen Mitglieder müssen noch einige schwierige Reformen bis 2004 umsetzen. Schon mit 15 Mitgliedern ist die heutige EU nur schwer überschaubar. Die politische Willensbildung ist oft schwierig, denn schon ein einzelner Staat kann alle wichtigen Entscheidungen im Ministerrat durch sein Veto blockieren. Um die Union mit 25 Mitgliedern nicht völlig unregierbar werden zu lassen, einigten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs nach langen Diskussionen in Nizza (2001) auf grundlegende strukturelle Reformen, um die EU für den Beitritt so vieler neuer Staaten fit zu machen. Trotzdem bleiben bis 2004 noch genügend Probleme zu lösen. In der Agrarpolitik sind die großen EU-Staaten zerstritten: Während Frankreich will, dass die Landwirte weiterhin milliardenschwere Subventionen erhalten, versuchen andere Staaten wie Deutschland und Großbritannien, diese zurückzuschrauben. Sie fürchten größere finanzielle Verpflichtungen, da auch die Landwirtschaft der neuen Staaten auf diese Hilfen bestehen. Vor allem Polen, das größte der neuen Länder, besteht darauf, die Landwirtschaft als wichtigen Erwerbszweig besonders zu fördern. Nicht alle haben es geschafft Wenn dann im Jahr 2004 die "Union der 25" Wirklichkeit wird, können sich die Politiker in Brüssel noch lange nicht zurücklehnen. Auch Bulgarien und Rumänien hoffen auf einen baldigen Beitritt zur Europäischen Union. Eigentlich wollten sie gemeinsam mit ihren Nachbarn das europäische Haus beziehen, doch die wirtschaftliche Lage der Länder schien der Kommission noch nicht stabil genug - jetzt müssen sie noch ein paar Jahre warten. Weitaus länger werden sicherlich die Balkanstaaten brauchen, doch auch sie sind Aspiranten für eine Aufnahme in die Union, zumindest mittelfristig. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob auch die Türkei zu Europa gehört. Zwar macht sie sich große Hoffnungen, doch in der Union gibt es keinen richtigen Willen, das Land beitreten zu lassen. Mit Valéry Giscard d'Estaing, Präsident des "Konvents zur Zukunft Europas", sprach sich im November 2002 erstmals ein hoher Amtsträger sehr deutlich gegen eine Aufnahme des Landes aus, was nach den Wahlen in der Türkei eine größere Diskussion auslöste. In jedem Fall wird die Erweiterung 2004 ein großer Schritt für die europäische Integration. Die Europäische Union überträgt ihr Erfolgsmodell erstmals auf osteuropäische Staaten. Die ehemaligen Ostblockstaaten treten in eine Gemeinschaft ein, in der ihnen Frieden, Menschenrechte, soziale und politische Stabilität garantiert sind. Am 9. Mai 1950 schlug der damalige französische Außenminister Robert Schumann in einer nach ihm benannten Erklärung vor, die militärstrategisch wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands und Frankreichs (Kohle und Stahl) einer gemeinsamen Behörde zu unterstellen. So wollte er neues Vertrauen zwischen den "Erbfeinden" schaffen. Andere europäische Staaten lud er ein, sich an dem Vorhaben zu beteiligen. Zwar verfolgten bereits vorher verschiedene Visionäre den Gedanken eines europäischen Zusammenschlusses - so etwa Winston Churchill in seiner "Züricher Rede" (1946) oder der Europa-Kongress von Den Haag (Mai 1948) - doch erst mit der "Schumann-Erklärung" nahm die europäische Einigung Fahrt auf. Kohle und Stahl schmiedeten ehemalige Feinden zusammen Am 18. April 1951 unterzeichneten Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien sowie die drei Benelux-Staaten (Belgien, Niederlande und Luxemburg) den Vertrag zur Gründung der EGKS in Paris. Nach Vorstellung Schumanns sollte die Kooperation in dem zunächst eng begrenzten Rahmen nur die "erste Etappe der europäischen Föderation" sein, die Frieden und Sicherheit in Europa schaffen sollte. Am 23. Juni 1952 trat der Vertrag in Kraft und mit diesem Tage wurde die gesamte Kohle- und Stahlproduktion (daher wird die EGKS auch "Montanunion" genannt) der beteiligten Länder einer "Hohen Behörde" mit Sitz in Luxemburg unterstellt; andere Organe waren der Rat, die Versammlung sowie der Gerichtshof. Wie an den Namen zu erkennen ist, gehen die heute existierende EU-Strukturen bereits auf die EGKS zurück. Noch im gleichen Jahr wurde der Vertrag zur Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) unterzeichnet. Zeitgleich zur EVG wollte man außerdem eine Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) gründen, die u. a. die Außenpolitik der Mitgliedsstaaten koordinieren sollte. Allerdings konnte man sich nicht darauf verständigen, in welchem Umfang die nationale Souveränität an die EPG abgetreten werden sollte. Daher scheiterte die EVG in der französischen Nationalversammlung (August 1954) und das Vorhaben wurde vorerst aufgegeben. "Kerneuropas" Kommissionen Zu diesem Zeitpunkt existierten bereits einige europäische Institutionen: Der Europarat, die EGKS, die Westeuropäische Union (WEU) und die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC); außerdem verband die NATO die wichtigsten westeuropäischen Länder in einer schlagkräftigen Verteidigungsgemeinschaft. Das Scheitern der EVG zeigte jedoch, dass Westeuropa noch weit von einer politischen Einigung entfernt war. Doch auf der EGKS-Konferenz von Messina (1./2. Juni 1955) begannen die Außenminister der sechs Mitgliedsstaaten einen weiteren Bauabschnitt des europäischen Hauses: Sie beschlossen, eine Kommission unter dem Vorsitz des belgischen Außenministers Paul Henri Spaak einzusetzen, die mit der Integration zwei weiterer Politikbereiche begann. Römische Verträge Und so kam es, dass am 25. März 1957 die Außenminister "Kerneuropas" die so genannten Römischen Verträge unterzeichneten: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM) wurden damit gegründet; der bis dahin wichtigste Schritt zu einer engen wirtschaftlichen Verflechtung der Mitglieder. EWG, Euratom und EGKS Die EWG, deren Kernstück eine Zollunion war, sollte "die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluss der europäischen Völker" schaffen, so die Präambel; EURATOM kontrollierte und koordinierte die zivile Atomwirtschaft der Mitglieder. Die Struktur der EWG-Organe orientierte sich an der EGKS: Im Ministerrat stimmte man die gemeinsame Wirtschaftspolitik aufeinander ab und das Europäische Parlament hatte begrenzte Beratungs- und Kontrollbefugnisse inne. Parlament und Gerichtshof waren dabei für die drei Gemeinschaften - EWG, Euratom und EGKS - zuständig. Das eigentlich ausführende EWG-Organ war jedoch die aus 17 Mitgliedern bestehende Kommission. Sie sollte sicherstellen, dass der gemeinsame Markt richtig funktioniert und sich weiter entwickelt, sowie darauf achten, dass das Gemeinschaftsrecht eingehalten wird. Durch ein Fusionsabkommen vom 8. April 1965 wurden die Organe der drei Gemeinschaften zum 1. Juli 1967 zusammengelegt. Vom Erfolgsmodell EWG zu den Reformdebatten Bereits nach kurzer Zeit stellte sich die EWG als Erfolgsmodell heraus: In mehreren Stufen senkte man die innergemeinschaftlichen Zölle und baute andere Handelshemmnisse ab. Außerdem führte man eine europäische Agrar-Marktordnung ein. Die Industrieproduktion sowie der innergemeinschaftliche Handel und der Warenaustausch mit anderen Ländern wuchsen stetig. Erfolg der EWG Mit dem Erfolg der EWG nahm auch ihre Anziehungskraft auf andere Staaten zu, was sich unter anderem in vielen Beitrittsanträgen niederschlug. Doch erst nachdem der deutsch-französische Freundschaftsvertrag am 22. Februar 1963 unterzeichnet wurde, kam neue Bewegung in den Integrationsprozess. Auf Dauer konnten sich die anderen EWG-Mitgliedsstaaten nicht der deutsch-französischen Absicht entziehen, politisch enger zusammenzuarbeiten. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich zum "Motor der europäischen Integration". Vorher musste die EWG aber eine ihrer schwersten Krisen überstehen, als sich Frankreich 1965 weigerte, an den Sitzungen der Gremien teilzunehmen. Mit der Politik des "leeren Stuhls" wollte es verhindern, dass der Ministerrat wichtige Fragen mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet. Im so genannten Luxemburger Kompromiss (1966) konnte Frankreich dann seine Position durchsetzen: Seitdem müssen Beschlüsse einstimmig verabschiedet werden, wenn "sehr wichtige Interessen eines oder mehrerer Partner auf dem Spiel" stehen. Neue Aufgaben für die EWG Zu Beginn der 70er Jahre war es das deutsch-französische Gespann, das die Weiterentwicklung der EWG voran trieb. Bundeskanzler Willy Brandt und der französische Staatspräsident Georges Pompidou vereinbarten auf den Gipfelkonferenzen von Den Haag (1969) und Paris (1972) neue Aufgaben für die EWG. Neben der Entwicklung einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) rückte nun auch die politische Union wieder ins Blickfeld. Doch während man sich im wirtschaftspolitischen Bereich schnell auf konkrete Vorhaben einigen und 1979 das Europäische Währungssystem (EWS) in Kraft treten konnte, blieb die Zielsetzung im politischen Bereich eher vage. In Paris entwickelte man außerdem die so genannte Dreierstrategie, die auch in den nachfolgenden Jahrzehnten immer wieder verfolgt wurde. Sie bestand aus der "Vollendung" der Gemeinschaft, aus der "Erweiterung" und aus einer "Vertiefung" in Richtung einer politischen Union; letzteres insbesondere durch die 1970 gegründete Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ), mit deren Hilfe die Mitgliedstaaten außenpolitisch möglichst einheitlich auftreten wollten. 1973 erweiterte sich die EWG zum ersten Mal: Dänemark, Großbritannien und Irland traten der Gemeinschaft bei. 1979 erlebte Europa eine andere Premiere: Die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament, von der sich die Anhänger des föderalen Europas einen Legitimationsschub versprachen. In dieser Zeit (1974) entstand auch der Europäische Rat, zu dem sich seitdem die Staats- und Regierungschefs in regelmäßigen Abständen treffen und über zentrale Fragen entscheiden. Trotz zunehmender Verflechtung noch keine politische Union Der Beginn der achtziger Jahre war von einer neuen Reformdiskussion gekennzeichnet, denn trotz zahlreicher Anläufe hatte man es immer noch nicht geschafft, Europa auch politisch zu einigen; die Staats- und Regierungschefs stritten heftig um die Aufgabe der ihnen noch verbliebenen Souveränitätsrechte. Zudem war man sich in der Zielrichtung nicht einig: Einige sprachen sich für einen europäischen Staatenbund, andere für einen europäischen Bundesstaat aus. Nach einer Initiative des damaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher und langwierigen Verhandlungen auf mehreren europäischen Gipfeln, konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EWG in Luxemburg (1985) auf ein weiteres Reformpaket verständigen: Die Einheitliche Europäische Akte (EEA). Sie veränderte und ergänzte die Römischen Verträge. Wichtigstes politisches Ziel war dabei die Verwirklichung des einheitlichen europäischen Binnenmarkts, der zum 1. Januar 1993 Wirklichkeit wurde. 1981 trat Griechenland bei, 1986 folgten Portugal und Spanien. Nach Fall des Vorhangs entsteht eine neue Perspektive Binnenmarkt und Mauerfall begünstigten weitere Reformschritte, die mit dem am 7. Februar 1992 unterzeichneten Vertrag von Maastricht ihren Abschluss fanden. Der Maastricht-Vertrag begründete die Europäische Union (EU), die auf drei Säulen fußt: Der Europäischen Gemeinschaft (EG), der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie der Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz (ZJIP). Ein anderes zentrales Vorhaben war, schrittweise eine Wirtschafts- und Währungsunion mit einer gemeinsamen Währung - dem Euro - zu schaffen, dessen Stabilität ein Europäisches System der Zentralbanken (ESZB) überwachen soll. 1995 traten Finnland, Österreich und Schweden bei, somit zählte die Europäische Union nun 15 Mitglieder. Der Vertrag von Amsterdam, am 2. Oktober 1997 unterzeichnet, vertiefte die Union weiter: Man schuf das Amt des "Hohen Vertreters für die GASP", der die EU-Außenpolitik unabhängig vom jeweiligen Ratsvorsitz repräsentieren soll. Außerdem wurden die Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik weiter ausgebaut und die Kompetenzen des Europäischen Parlaments und anderer Organe erweitert. Die Gipfel von Köln und Helsinki (beide 1999) legten den Grundstein für die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Diese baut nicht nur die Beziehungen zwischen der EU und der NATO weiter aus, sondern beinhaltet auch, die Aufgaben der 1954 gegründeten Westeuropäische Union (WEU) schrittweise an die EU zu übertragen. Aus 15 werden 25 - Neue Herausforderungen für die EU Mittlerweile steht ein weiteres Reformvorhaben vor seinem Abschluss: Die Erweiterung der Europäischen Union um zehn osteuropäische Länder. Die hierzu notwendigen institutionellen Voraussetzungen schufen die Staats- und Regierungschefs im Jahr 2000 auf dem Gipfel von Nizza. Dort verabschiedeten sie einen mühsam erkämpften Kompromiss, der die Strukturen der EU reformiert und die Gemeinschaft fit für die Erweiterung machen soll. Doch die Staats- und Regierungschefs konnten sich nur zu einer Minimallösung durchringen. Daher riefen sie auf dem Gipfeltreffen im belgischen Schloss Laeken (2001) den "Konvent zur Zukunft Europas" ins Leben. Unter dem Vorsitz des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing nahm der Konvent Ende Februar 2002 seine Arbeit auf und soll bis Mitte 2003 einen Entwurf für eine europäische Verfassung sowie weitere Vorschläge zur Gestaltung einer zukünftigen Europäischen Union mit 28 Mitgliedern erarbeiten. Der eiserne Vorhang fällt endgültig Mit dieser fünften Erweiterung wird die Trennung in "Ost" und "West" endgültig der Vergangenheit angehören. Stabilität, Frieden und Menschenrechte - bislang westlich geprägte Werte - können nun in ganz Europa zum Maßstab des Zusammenlebens werden: Die durch die (west-)europäische Integration geschaffene Zone der Sicherheit, Demokratie und Marktwirtschaft in Westeuropa dehnt sich dann bis Tallinn, Riga und Wilna im Baltikum, Warschau, Prag, Budapest in Mitteleuropa, Bukarest und Sofia auf dem Balkan aus. Doch damit ist die EU noch nicht an ihre geografischen Grenzen gestoßen. Nach dem Sturz des letzten europäischen Diktators in Jugoslawien wird in absehbarer Zeit das Thema Südost-Europa auf der Tagesordnung stehen. Mit dem so genannten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Mazedonien vom 9. April 2001 ging man bereits einen ersten Schritt in diese Richtung, doch weitere werden folgen müssen. Denn so wie man den osteuropäischen Staaten die europäische Perspektive anbot, müssen auf das EU-Versprechen vor und während des Kosovo-Konflikts 1999 konkrete Taten folgen. Beispielhafte Arbeitsaufträge helfen bei der Erschließung des Textes und der weiteren Arbeit zum Thema. Die in den Internetressourcen angegebenen Websites helfen bei der Informationsrecherche und liefern Anregungen für Diskussionen. Arbeiten Sie zunächst die wichtigsten Aussagen aus dem Basistext und recherchieren Sie gegebenenfalls die Informationen, die Sie für sein Verständnis benötigen. Diskussionsansätze: Welchen Nutzen bringt die Erweiterung den neuen Staaten? Welche Probleme sehen die heutigen EU-Staaten durch die Erweiterung auf sich zukommen? Überwiegen für die heutigen EU-Staaten die Probleme oder die Chancen? Welchen Nutzen ziehen die heutigen EU-Staaten aus der Erweiterung? Ein möglicher EU-Beitritt der Türkei ist umstritten. Informieren Sie sich über Argumente der Gegner und der Befürworter des Beitritts und diskutieren Sie deren Ansichten. Diskutieren Sie im eigens für den Unterricht eingerichteten Chat einschlägige Fragestellungen: Eine Gruppe der Klasse vertritt die Pro-, die andere die Contra-Seite hinsichtlich der EU-Osterweiterung.

  • Politik / WiSo / SoWi
  • Sekundarstufe I, Sekundarstufe II

Bundeswehr: Vom Heimatschutz zur mobilen Einsatztruppe

Unterrichtseinheit

Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich die Einsatzgebiete der Bundeswehr stark verändert. Trotz aller Umstrukturierungen hält das Verteidigungsministerium hartnäckig an der Wehrpflicht fest. Aber die Debatte um die Berufsarmee hat an Fahrt begonnen. Die Bundeswehr wird umgebaut: die Regierung will die Armee zu einer schlagkräftigen Truppe für Einsätze in Krisenregionen in der ganzen Welt reformieren. Dabei steht sogar die Zukunft von Wehr- und Zivildienst zur Diskussion. Gleichzeitig muss die Bundeswehr dafür viele ihrer Standorte in Deutschland aufgeben, was in den betroffenen Regionen für heftige Proteste sorgt. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich über die Aufgaben und die Reform der Bundeswehr informieren. die Bedeutung der Bundeswehr als Standortfaktor erkennen. sich des Wandels der geostrategischen Situation in der Welt seit dem Ende des Ost-West-Konflikts bewusst werden. über die Zukunft der allgemeinen Wehrpflicht und die neuen Aufgaben der Bundeswehr diskutieren. das Internet als Informations- und Recherchemedium nutzen. Thema Die Bundeswehr: Mobile Einsatztruppe statt Heimatschutz Autoren Wolfgang Bauchhenß und Michael Bornkessel Fach Politik, Sozialwissenschaften Zielgruppe Sek I und II, ab Klasse 9 Zeitaufwand je nach Intensität und Schwerpunktsetzung mindestens 3 Stunden Medien Computer mit Internetzugang 105 Standorte werden geschlossen Der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) kündigte Ende Oktober 2004 die radikalsten Kürzungen in der Geschichte der Bundeswehr an: 105 Standorte sollen bis zum Jahr 2010 geschlossen werden, 48.700 Dienstposten will der Minister streichen. Schon seit Jahren hatten Politiker gefordert, die Bundeswehr einem radikalen Umbau zu unterziehen; doch bisher hatte sich kein Verteidigungsminister an die undankbare Aufgabe gewagt, die schmerzhafte Reform in Angriff zu nehmen. Armee der 250.000 bis 2010 Die Standorte werden aus betriebswirtschaftlichen Gründen geschlossen, denn die Bundeswehr muss bis 2010 insgesamt 26 Milliarden Euro einsparen. Derzeit gibt es noch 600 Standorte. Zusätzlich zu den jetzt geplanten 105 Schließungen fallen aufgrund früherer Beschlüsse ohnehin schon 100 Standorte bis voraussichtlich 2006 weg. Die Stärke der Armee soll bis 2010 von derzeit 285.000 auf insgesamt 250.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sinken. Die Personalstärke im zivilen Bereich soll auf 75.000 Personen sinken. Von Schleswig-Holstein bis Bayern Der Protest kam prompt. In vielen betroffenen Städten und Gemeinden gingen die Bürgerinnen und Bürger zu Protestkundgebungen auf die Straße. In den betroffenen Landstrichen haben die Menschen Angst um die Zukunft ihrer Regionen. Die Sorge der Menschen ist begründet. In vielen Gemeinden, deren Bundeswehr-Standorte nun geschlossen werden, ist das Militär der einzige größere Arbeitgeber. So liegen gerade in Schleswig-Holstein, einem der am härtesten betroffenen Bundesländer, viele Kasernen in strukturschwachen Regionen. Dort gibt es kaum Industrie und nur wenige Arbeitsplätze in anderen Branchen - aber an den Standorten der Bundeswehr leben jeweils einige Hundert Familien vom größten Arbeitgeber am Ort. Auch in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen, den Bundesländern, die am stärksten von den Schließungen betroffen sind, ist die Bundeswehr oft einziger großer Arbeitgeber in der Region. Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und Kaufkraft Wenn der nun seine Tore schließt, hat das Konsequenzen für die gesamte Kommune: Die Soldatinnen und Soldaten werden an andere Standorte versetzt, sie müssen also mit ihren Familien umziehen. Die zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr dürften in vielen Fällen ihre Stellen verlieren. Sie müssen sich dann neue Arbeit suchen oder ebenfalls mobil sein und umziehen. Das hat auch Folgen für die Unternehmen, die von der Kaufkraft der Bundeswehrangehörigen leben: Lebensmittelhändler, Bäckereien und andere Geschäfte verlieren einen nicht geringen Teil ihrer Kunden. Proteste gegen Standortschließungen Die Folgen der Standortschließungen sind in den Regionen vergleichbar mit der Schließung einer Fabrik. Wie in solchen Fällen üblich, wehren sich die Menschen vor Ort: Sie demonstrieren für den Erhalt ihrer Standorte; die Bürgermeister fahren nach Bonn und Berlin, um die Schließung noch abzuwenden; die Ministerpräsidenten protestieren bei Verteidigungsminister Struck und fordern von der Bundesregierung Hilfsgelder für die betroffenen Regionen. Militärische und betriebswirtschaftliche Kriterien zählen Doch aller Protest scheint vergebens: Der Verteidigungsminister ist fest entschlossen, seine Streichliste durchzusetzen. Er habe nach militärischen und betriebswirtschaftlichen Kriterien entschieden, und die Streichungen seien im Rahmen des Umbaus der ganzen Bundeswehr notwendig. Auch die Bundeswehr müsse sich angesichts knapper Kassen um Wirtschaftlichkeit und Effizienz bemühen, könne nicht als Wirtschaftsförderungsprogramm verstanden werden. Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg Bei ihrer Gründung 1955 war die Bundeswehr als reines Verteidigungsheer konzipiert. So sollte ausgeschlossen werden, dass nach dem Zweiten Weltkrieg wieder eine militärische Aggression von Deutschland ausgehen könnte. Zugleich sollte die Bundeswehr im Kalten Krieg an der Schnittstelle der politischen Systeme mitten in Europa eine starke Präsenz zeigen. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens wurde die Bundeswehr daher für die Verteidigung des Landes gegen eine Bedrohung aus dem Osten ausgerüstet.1956 wurden die ersten Wehrpflichtigen eingezogen. Die Friedensstärke der Armee sollte 495.000 Mann betragen, ihr Aufbau wurde 1965 abgeschlossen. LeMO: Wiederbewaffnung Das Lebendige virtuelle Museum online (LeMO) informiert über die Pläne zum Aufbau der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee in der DDR von 1949 bis 1955. Von der innerdeutschen Grenze nach Afghanistan Nach dem Ende des Kalten Krieges in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dieses Konzept hinfällig. Der Warschauer Pakt als Widerpart der NATO zerfiel mit der Vormachtstellung der Sowjetunion. Nun herrschte in Europa eine stabile sicherheitspolitische Lage. Zunächst verkleinerte die Regierung die Bundeswehr, die mit der Wiedervereinigung auf 500.000 Mann angewachsen war. Schon 1994 standen nur noch 370.000 Mann in ihren Diensten, heute sind es etwa 284.000 Soldatinnen und Soldaten. In den neunziger Jahren nahmen deutsche Soldaten erstmals an Auslandseinsätzen teil, etwa im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina oder Mazedonien. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden im Rahmen von internationalen Einsätzen Einheiten nach Afghanistan oder an das Horn von Afrika entsendet. Seither stieg die Zahl solcher Einsätze in internationalen Missionen an: Derzeit sind um die 7.000 deutsche Soldaten im Ausland stationiert. Bundeswehr in den Kongo? Derzeit diskutiert die Bundesregierung den Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Kongo: die UNO will die im Juni 2006 geplanten Präsidentschaftswahlen absichern und die Bundeswehr soll sich im Rahmen einer EU-Mission federführend daran beteiligen. Verschiede Medien berichteten, dass Franz Josef Jung (CDU), Strucks Nachfolger als Verteidigungsminister, 500 Fallschirmjäger als Teil einer europäischen Truppe in das zentralafrikanische Land entsenden will. Allerdings müsse, neben einem UNO-Mandat mit einer "klaren räumlichen und zeitlichen Befristung", auch der kongolesische Präsident mit dem Einsatz einverstanden sein. Erst dann würden EU-Truppen, und damit auch deutsche Soldaten, in das afrikanische Land entsandt werden, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die EU-Truppe soll die bereits im Kongo stationierten 16.000 UN-Soldaten unterstützen. Außer Deutschland haben bereits Frankreich, Schweden, Belgien, Portugal und Spanien signalisiert, sich unter Umständen mit Truppen zu beteiligen. Allerdings wäre der Einsatz nicht ganz ungefährlich. Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverband, Ulrich Kirsch, schätzt die Sicherheitslage im Kongo als "völlig unklar" ein. Er betonte gegenüber der Bild-Zeitung: "Aber das Schlimmste wäre, gegen Kindersoldaten kämpfen zu müssen." Die Vereinten Nationen schätzen, dass rund 30.000 Kindersoldaten am Bürgerkrieg im Kongo beteiligt sind. Die Risiken eines solchen Einsatzes hält der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold trotzdem für überschaubar: "Das Risiko für die EU-Soldaten wird von allen Beteiligten vor Ort als außerordentlich gering angesehen." Man müsse die Soldaten nicht einmal komplett in Kongos Hauptstadt Kinshasa einsetzen, ein Teil könne man in Nachbarstaaten als schnell einsetzbare Reserve stationieren. Mehr Aufgaben, weniger Personal und neue Aufgaben im Inneren? Kritiker der Regierung warnen aber davor, die Bundeswehr zu stark zu verkleinern. Schließlich müsse das Heer auch regelmäßig im Inland bei Katastropheneinsätzen helfen: bei den Hochwassern an der Oder und in Sachsen im Jahr 2002 halfen Bundeswehrsoldaten beim Deichbau und bei der Beseitigung der schlimmsten Schäden. Beim Schneechaos im Februar 2006 schippten eilig herbeigerufene Soldaten Schnee von bayerischen Hausdächern. Auch in anderen Notsituationen können Einsätze der Bundeswehr im Inland notwendig werden, etwa nach Terroranschlägen. Auch für die Einsätze im Ausland, auf die der Minister das Heer durch seinen Umbau besonders vorbereiten will, brauche man mehr Personal, als die Regierung zugestehen wolle. Der Vorschlag, die Bundeswehr auch im Inland einsetzen zu können, sorgte im Vorfeld der Fußball-WM 2006 in Deutschland neuerlich für Aufsehen. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich hartnäckig und forderte wiederholt, die Bundeswehr in die Sicherheitspla-nungen mit einzubeziehen: sie sollte die Polizei von bestimmten Aufgaben, etwa beim Ob-jektschutz von Botschaften und Synagogen, entlasten. Allerdings kritisierten die SPD und die Opposition die Pläne des Innenministers scharf. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach schließlich ein Machtwort und schloss Veränderungen kurz vor der Fußball-WM aus. Denn das Grundgesetz verbietet den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren und um das Grundgesetz zu ändern, braucht man eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Neunmonatiger Grundwehrdienst Derzeit müssen junge Männer einen neunmonatigen Grundwehrdienst ableisten; die Dauer des Dienstes wurde in den vergangenen Jahren immer weiter verkürzt. In dieser Zeit erhalten sie eine Grundausbildung für den Dienst bei der Bundeswehr. Freiwillige können den Grundwehrdienst bei besserer Bezahlung verlängern oder sich ganz für ein Leben als Berufssoldat entscheiden. Sicherung der Aufgaben im Inland Die Bundesregierung will weiterhin an der Wehrpflicht festhalten. Der ehemalige Verteidigungsminister Struck hatte alle Forderungen nach ihrer Abschaffung abgelehnt. Befürworter der Wehrpflicht weisen darauf hin, dass gerade bei einer Verkleinerung der Bundeswehr eine gewisse Anzahl von Wehrdienstleistenden benötigt werde. So könne die Bundeswehr Nachwuchs auch für das Berufsheer rekrutieren. Zudem leisteten die Wehrdienstleistenden wichtige Aufgaben im Inland: Während zahlreiche Berufssoldaten bei Auslandseinsätzen weilen, würden die Dienstleistenden dafür sorgen, dass die Bundeswehr auch zuhause weiter funktioniert und mit ihrer logistischen Arbeit ihrer Kollegen im Ausland unterstützen. Die kostengünstigere Lösung Die Befürworter der Wehrpflicht erinnern dabei auch an die Kosten: Die Wehrdienstleistenden mit Freiwilligen zu ersetzen, würde hohe Kosten verursachen, da die Dienstleistenden nur einen deutlich niedrigeren Sold erhalten. Als weiteres Argument für die Wehrpflicht wird auch oft die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft angeführt. Solange ständig neue Wehrdienstleistende "von außen" zur Bundeswehr kommen, sei gewährleistet, dass sich das Militär nicht von den gesellschaftlichen Realitäten entfremde. Dieses Argument wurde besonders in den fünfziger Jahren angeführt, als es wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Ressentiments gegen die Einführung der Bundeswehr gab. Zivildienst sichert soziale Leistungen Ein weitaus aktuelleres Problem wäre die Abschaffung der Wehrpflicht für die Organisationen, die Zivildienstleistende beschäftigen. Mit dem Ende einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer wäre auch das Ende des Zivildienstes besiegelt. Viele soziale Einrichtungen könnten dann nicht mehr auf die billige Arbeitskraft der "Zivis" zurückgreifen; Kritiker warnen, dass es dann Einschränkungen sozialer Leistungen geben könnte. Klasse statt Masse Dennoch sehen die Gegner der Dienstpflicht den Wehrdienst vor allem als Anachronismus. Wollte die Bundesrepublik noch im Kalten Krieg ein zahlenmäßig starkes Heer für die Verteidigung des Landes aufrechterhalten, haben sich die Aufgaben der Bundeswehr fünfzehn Jahre später grundlegend gewandelt. Statt Masse komme es nun auf Klasse an: Die neue Bundeswehr brauche nur gut ausgebildete Spezialisten. Das könnten aber keine Wehrpflichtigen sein; für diese Aufgaben brauche man hoch motivierte freiwillige Berufssoldaten. Wo bleibt die Wehrgerechtigkeit? Auch sei die Wehrpflicht nicht mehr gerecht: Während in früheren Jahren ein Großteil der tauglichen jungen Männer eines Jahrgangs zum Dienst eingezogen wurde, habe die Bundeswehr mittlerweile gar keinen Platz mehr für so viele junge Rekruten. Nur noch zehn Prozent eines Jahrgangs müsse den Dienst an der Waffe antreten; der Rest werde einfach nicht mehr eingezogen - von der so genannten Wehrgerechtigkeit, die die Grundlage für die Dienstverpflichtung durch den Staat darstellt, bleibe da nichts mehr übrig. Ohnehin machten die Dienstverpflichteten nur noch einen relativ geringen Teil des Personals bei der Bundeswehr aus. Neue Pläne nach dem Regierungswechsel Verteidigungsminister Franz Josef Jung schlug Anfang März 2006 neue Töne an: obwohl die Bundeskassen leer sind, will er im Jahr 2006 mehr junge Männer zur Bundeswehr einziehen lassen. Die Zahl der Wehrdienststellen solle von 31.000 auf 35.000 erhöht werden, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Bei neun Monaten Wehrdienst bedeutet das, dass insgesamt 46.500 Wehrpflichtige eingezogen werden sollen. Langfristig will er sogar bis zu 35.000 neue Dienstposten für Wehrpflichtige schaffen. Damit will er die Quote der einberufenen Männer erhöhen und die Wehrgerechtigkeit verbessern, sagte Jung: "Der Umfang unserer Streitkräfte wird nicht nach Kassenlage festgelegt, sondern muss sich auch an den Erfordernissen der Sicherheit Deutschlands und den politischen Vorgaben auch zur Wehrgerechtigkeit orientieren". Allerdings ist Jung wie sein Vorgänger Struck der Meinung, dass es keine Alternative zur allgemeinen Wehrpflicht gebe. Deutschland könne mit einer Berufsarmee seine internationalen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen: denn aus Kostengründen müsse eine reine Berufsarmee kleiner sein als die heutige Bundeswehr. Trend zur Berufsarmee Der Blick in europäische Nachbarländer zeigt, dass die Tendenz allgemein hin zu Berufsheeren geht, die gut ausgebildet für spezielle Aufgaben jederzeit abrufbar sind. Gerade in Europa scheint die Landesverteidigung nicht mehr die Hauptaufgabe der Truppen zu sein, sondern der Einsatz in Krisenregionen. Frankreich und Spanien als Vorreiter Nach dem Ende des Kalten Krieges haben unsere europäischen Nachbarn in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Portugal und Ungarn ihre Heere in Berufsarmeen umgewandelt. In Frankreich wurde die Wehrpflicht mit Wirkung zum 31. Dezember 2002 abgeschafft. In Europa hat auch die Regierung von Spanien die Wehrpflicht vor einigen Jahren abgeschafft. Die spanische Armee hatte daraufhin aber massive Probleme genügend Personal zu finden, weil den meisten Spaniern eine Arbeit beim Heer zu unattraktiv erschien. Die Spanier mussten die Anforderungen senken, um bei der Armee aufgenommen zu werden, und sie warben auch in anderen Ländern um Arbeitskräfte. Deshalb stehen dort mittlerweile zahlreiche Soldaten im Dienst, die aus Ländern Lateinamerikas stammen. US-Armee: Irak-Krieg schreckt ab Auch die Armee der USA ist eine Berufsarmee: Soldaten haben dort einen sicheren Arbeitsplatz mit guten Aufstiegschancen. Daher verpflichten sich insbesondere Einwanderer und Angehörige unterer Bevölkerungsschichten beim Militär, die andernorts nur zu schlechteren Bedingungen Arbeit fänden. In letzter Zeit hat allerdings auch die US-Armee Schwierigkeiten, Personal zu rekrutieren, da in Kriegszeiten die Wahrscheinlichkeit, in Länder wie Afghanistan oder den Irak geschickt zu werden, groß ist. Misshandlungsfälle sprechen nicht für Berufsarmee Nach Ansicht des damaligen Verteidigungsministers Peter Struck waren die vor einiger Zeit aufgedeckten Misshandlungsfälle bei der Bundeswehr kein Argument dafür, eine Berufsarmee einzuführen. Der "Sächsischen Zeitung" sagte Struck dazu, gerade dort würden solche Fälle wahrscheinlich gar nicht herauskommen. Nachdem Fälle aus der Kaserne im westfälischen Coesfeld bekannt worden waren, wo Ausbilder Wehrpflichtige mit Stromstößen gepeinigt hatten, sind in anderen Bundesländern weitere Misshandlungen bekannt geworden, die derzeit geprüft werden. Einige der zuständigen Ausbilder in Coesfeld wurden nach Angaben der Bundeswehr bereits fristlos aus dem Dienst entlassen.

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August 2007: Der Staat überwacht seine Bürger

Unterrichtseinheit

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 rückte der von den USA angestoßene "Kampf gegen den Terror" in den Mittelpunkt der politischen Debatten. Viele Länder haben seitdem die Überwachungsmaßnahmen verstärkt oder verschärft.Nicht nur in Deutschland befürchten Kritiker und Datenschützer, dass die Schreckensvisionen eines totalitären Überwachungs- und Präventionsstaates, wie sie George Orwell schon 1949 in seinem Zukunftsroman "1984" aufgezeigt hat, immer mehr zur Realität werden könnten. Dort hält ein fiktiver Staatschef, der "Große Bruder" ("Big Brother"), die Bevölkerung in ständiger Angst und schränkt deswegen die Bürgerrechte rigoros ein. Die permanente Überwachung der Menschen durch die Gedankenpolizei und eine weit entwickelte Informationstechnik sichern seine Macht. Einige dieser Maßnahmen, wie die Kameraüberwachung von öffentlichen Plätzen, sind inzwischen auch bei uns Realität geworden. Noch beschränken die Gesetze die grenzenlose Überwachung aller Bürger oder die uneingeschränkte Nutzung von Daten, die bei genehmigten Überwachungsmaßnahmen gewonnenen wurden.Die Schülerinnen und Schüler sollen die Entwicklung und ihre Tendenzen, insbesondere die Themen Datenspeicherung und Online-Durchsuchung, nachvollziehen und die zentralen Positionen vergleichen können. die Rechts- und Gesetzeslage zum Thema bearbeiten und diskutieren. das Verhältnis von persönlicher Freiheit und staatlichem Sicherheitsdenken reflektieren, um einen eigenen Standpunkt zur Diskussion zu gewinnen. Aktionen im Internet zum Thema bewerten. das Internet als Informations- und Recherchemedium nutzen. Thema Der Staat überwacht seine Bürger. Wird Orwells Vision Realität? Autor Michael Bornkessel Fach Politik, Sozialwissenschaften Zielgruppe Sek I und II, ab Klasse 9 Zeitaufwand je nach Intensität und Schwerpunktsetzung 2-4 Stunden Medien je ein Computer mit Internetnutzung für zwei Schülerinnen und Schüler Die technischen Möglichkeiten der Überwachung wurden weiterentwickelt und es sind andere Kommunikationsformen in das Visier der staatlichen Sicherheitsbehörden geraten. Derzeit diskutiert die Öffentlichkeit vor allem über zwei Vorhaben: Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und die Pläne von Innenminister Wolfgang Schäuble, die heimliche Online-Durchsuchung von Computern zu erlauben. Die folgenden Seiten informieren über die Rechtslage, blicken kurz zurück und nehmen dann die aktuellen Diskussionen auf. Das Grundgesetz und der "Große Lauschangriff" Hier finden sie Hintergrundinformationen zur Rechtslage und einen Rückblick auf den "Großen Lauschangriff". Die Vorratsdatenspeicherung Die umstrittene Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung soll die Speicherung von personenbezogenen Daten für eine spätere Verarbeitung erweitern. Die Online-Durchsuchung Der heimliche staatliche Zugriff auf Daten, die auf einem Computer gespeichert sind, steht zur Diskussion. Das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis In Deutschland garantiert das Grundgesetz in Artikel 10, Absatz 1, dass das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis "unverletzlich" sind. Das heißt, der Staat darf sich eigentlich nicht dafür interessieren, was sich seine Bürger am Telefon erzählen oder in Briefen schreiben. Allerdings schränkt Absatz 2 diese Freiheit wieder ein, denn durch Gesetze können entsprechende "Beschränkungen" angeordnet werden. Zudem müssen die Betroffenen, wenn "die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes" dient, nicht darüber informiert werden, dass die staatlichen Behörden sie überwachen. Das informelle Selbstbestimmungsrecht im "Volkszählungsurteil" Über das Grundgesetz hinaus hat sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt: Im Jahr 1983 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im sogenannten Volkszählungsurteil das informationelle Selbstbestimmungsrecht als Grundrecht anerkannt. Das heißt, jeder Bürger hat das Recht, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Einschränkungen dieses Rechts sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, bei der der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten habe. Das „Volkszählungsurteil“ Das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983. Die politische Debatte und die Gesetzesänderung Bereits Mitte der 1990-er Jahre begann die politische Debatte um den "Großen Lauschangriff", das heißt um das staatliche Abhören von Gesprächen und die Beobachtung einer Wohnung zu Zwecken der Strafverfolgung, insbesondere um Straftäter aus dem Bereich der organisierten Kriminalität besser verfolgen zu können. Dazu hatte die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP ein "Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität" erarbeitet, das den Artikel 13 des Grundgesetzes und die Strafprozessordnung (StPO) maßgeblich veränderte. Die Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht Am 3. März 2004 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass große Teile des Gesetzes gegen die Menschenwürde verstoßen und deshalb verfassungswidrig sind. Während das BVerfG die Grundgesetzänderung nicht beanstande, erklärten die Richter zahlreiche Ausführungsbestimmungen der Strafprozessordnung für nicht verfassungskonform: Beispielsweise dürfe die Überwachung nur noch bei dem Verdacht auf besonders schwere Straftaten angeordnet oder Gespräche zwischen engen Angehörigen nur noch dann abgehört werden, wenn alle Beteiligten verdächtig sind und das Gespräch strafrechtlich relevanten Inhalt hat. Die Europäische Richtlinie Sinn der EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung ist, dass die unterschiedlichen nationalen Vorschriften in den 27 EU-Mitgliedstaaten zur Speicherung von Telekommunikationsdaten vereinheitlicht werden sollen. Damit will man sicherstellen, dass die Daten für einen bestimmten Zeitraum zum Zweck der Ermittlung und Verfolgung von schweren Straftaten aufbewahrt werden. Die 27 EU-Staaten müssen die von den EU-Organen verabschiedete Richtlinie nun in nationales Recht umsetzen. Die Umsetzung in Deutschland Die deutsche Bundesregierung hat dazu im April 2007 den Entwurf eines "Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden" auf den Weg gebracht, in dem auch die Regelungen zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie enthalten sind. Der Bundestag soll das Gesetz spätestens im Herbst 2007 verabschieden, so dass es zum 1. Januar 2008 in Kraft treten kann. Was wird gespeichert? Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Anbieter von Telefondiensten (einschließlich Mobilfunk- und Internet-Telefondiensten) unter anderem die Rufnummer des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie den Beginn und das Ende der Verbindung speichern müssen. Anbieter von eMail-Diensten müssen beispielsweise die Kennung des elektronischen Postfachs und die Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) des Absenders sowie die Kennung des elektronischen Postfachs jedes Empfängers der Nachricht speichern. Die Anbieter von Internetzugangsdiensten müssen unter anderem die dem Teilnehmer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse sichern. Auf diese Daten sollen die Sicherheitsbehörden, insbesondere Polizei und Staatsanwaltschaft, nach dem neuen Artikel 113b des Telekommunikationsgesetzes zugreifen dürfen, aber nur zur Verfolgung von Straftaten, zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes. Am 6. Juli 2007 beriet der Bundestag in erster Lesung über das "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmethoden". Alfred Hartenbach (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium, stellte in seiner Rede heraus, dass die Telekommunikationsunternehmen schon heute Verbindungsdaten speichern, da sie nachweisen müssen, dass sie die Leistungen, die sie in Rechnung stellen, auch erbracht haben. "Seit jeher können die Strafverfolgungsbehörden diese Verbindungsdaten abfragen. Die neue Speicherpflicht brauchen wir, weil viele TK-Unternehmen immer mehr zu Flatrates übergehen und deshalb immer weniger Verbindungsdaten speichern." Anfragen der Strafverfolgungsbehörden liefen daher ins Leere. Zudem machte er deutlich, dass Verbindungsdaten keine Inhaltsdaten seien. Gesprächsinhalte würden zu keinem Zeitpunkt gespeichert, auch keine Angaben über besuchte Websites. "Wir können auf die Telekommunikationsüberwachung und auf andere verdeckte Ermittlungsmaßnahmen nicht verzichten", betonte Hartenbach. Aus den Reihen der Opposition kommt heftige Kritik an den Plänen der Bundesregierung. Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen, betont in einer Pressemitteilung, dass dies ein "Gesetz zum Abbau von Bürgerrechten im digitalen Zeitalter" sei. Die Vorratsdatenspeicherung, die strenger als notwendig nach der europäischen Richtlinie mit in dem Gesetz umgesetzt werden solle, sei verfassungsrechtlich nicht tragbar. "Jegliche Kommunikationsdaten, die beim surfen, mailen, telefonieren mit dem Festnetzapparat oder dem Handy erhoben werden, müssen jetzt gespeichert und bei Anfragen schnell zur Verfügung gestellt werden." Die Speicherung erfolge ohne Verdacht bei allen 82 Millionen Menschen in Deutschland, geschützte Berufe wie Ärzte, Seelsorger oder Journalisten würden nicht ausgenommen. Die Daten sollen nicht nur zur Verfolgung von schweren Straftaten benutzt werden, sondern auch zur Gefahrenabwehr. "Jede und jeder, die dann zum falschen Zeitpunkt aus einer bestimmten Straße einen Handyanruf tätigen oder SMS verschicken, werden dann ganz schnell zu potentiellen Terror-Verdächtigen", befürchtet Spitz. Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: Stoppt die Vorratsdatenspeicherung Die Webseite des "AK Vorrat" bietet umfassende Informationen und koordiniert den Protest gegen die geplante Vollprotokollierung der Telekommunikation. Ob man die sogenannte "Online-Durchsuchung" von Computern mit Überwachungsmaßnahmen wie dem "Großen Lauschangriff" oder dem Abhören von Telefongesprächen vergleichen kann, darüber debattieren nicht nur Juristen. Nach Presseberichten sollen erste Online-Durchsuchungen bereits seit 2005 aufgrund einer geheimen Dienstanweisung des damaligen Innenministers Otto Schily (SPD) durchgeführt worden sein, allerdings als geheimdienstliche Maßnahme. Ein verändertes Verfassungsschutzgesetz in NRW In Nordrhein-Westfalen hat das Landesparlament Ende Dezember 2006 eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes beschlossen. Seitdem darf der NRW-Verfassungsschutz zur Terrorbekämpfung, ohne richterliche Zustimmung und nachträgliche Überprüfung oder Information des Betroffenen, verdeckt auf "Festplatten" und andere "informationstechnische Systeme" im Internet zugreifen, also heimliche Online-Durchsuchungen durchführen. Allerdings haben verschiedene Personen, unter anderem der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), das Bundesverfassungsgericht angerufen. Nun wird das BVerfG im Oktober 2007 darüber entscheiden, ob die nordrhein-westfälische Regelung verfassungswidrig ist. Verdeckter Zugriff nach Strafprozessordnung ungültig Für den Bereich der Strafverfolgung hat bereits der Bundesgerichtshof durch ein Urteil vom 31. Januar 2007 entschieden, dass die heimliche Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Dateien mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen aufgespielt wurde - also eine verdeckte Online-Durchsuchung - nach der derzeit geltenden Strafprozessordnung unzulässig sei. Es fehle an der für einen solchen Eingriff erforderlichen "Ermächtigungsgrundlage". Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) drängt darauf, diese Rechtsgrundlage zu schaffen und so Online-Durchsuchungen zu ermöglichen. Dazu will er eine entsprechende Passage in die Neufassung des sogenannten BKA-Gesetzes ("Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten"), in dem unter anderem die Aufgaben und Kompetenzen des Bundeskriminalamtes definiert sind, einarbeiten. Allerdings ist sein Vorhaben heftig umstritten, selbst innerhalb der Regierungskoalition. Das Innenministerium veröffentlichte nach dem Urteil des Bundesgerichtshof eine Pressemitteilung, in der Wolfgang Schäuble hervorhob, dass es aus ermittlungstaktischen Gründen unerlässlich sei, "dass die Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit haben, eine Online-Durchsuchung nach entsprechender richterlicher Anordnung verdeckt durchführen können." Hierdurch könne regelmäßig wichtige weitere Ermittlungsansätze gewonnen werden. Durch eine zeitnahe Anpassung der Strafprozessordnung müsse eine Rechtsgrundlage für solche Ermittlungsmöglichkeiten geschaffen werden, forderte Schäuble. In einem Interview mit der Berliner Zeitung betonte Justizministerin Brigitte Zypries, dass heimliche Online-Durchsuchungen ein extremer Eingriff in die Privatsphäre seien. "Bevor dieses Ermittlungsinstrument eingeführt wird, müssen die technischen Möglichkeiten, deren Folgen und die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geklärt werden", sagte Zypries. Es müsse auch geprüft werden, wie Dritte geschützt werden können. "Was geschieht beispielsweise, wenn das Bundeskriminalamt einen Trojaner in einem Computer platziert, der mit einem Krankenhaus verbunden ist? Kann die Polizei dann sämtliche Krankenakten einsehen?" Der politische Gegner macht ebenfalls mobil: Bündnis 90/Die Grünen haben eine Webseite eingerichtet, auf der man eine Animation herunterladen kann. Nach dem Start "schnüffelt" der Kopf von Innenminister Schäuble an den verschiedenen Elementen auf dem Desktop des heimischen Computers. Damit wollen sie vor seinen Plänen zur Online-Überwachung warnen und darauf aufmerksam machen, was es für jeden Einzelnen bedeuten kann, wenn der Innenminister seine Pläne zu Online-Durchsuchungen umsetzen kann: Private Festplatten werden dann zum Freiraum der Sicherheitsbehörden, da sie diese unbemerkt durchforsten können. Es drohe der "gläserne Bürger", in dessen Privatsphäre der Staat leicht eindringen und unbemerkt persönliche Informationen abrufen könne.

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