Datenschutz gerne – aber bitte mit Augenmaß!

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Datenschutz verhindert aktuell Digitale Bildung. Implementierte und seit Jahren bewährte Systeme werden nach und nach wegen Datenschutzmängeln abgesägt. Autor Dr. Peter Kührt fordert mehr präventive und rechtssichere Beratung durch Datenschutzbeauftragte, auf deren Lösungen und Empfehlungen Schulen und Lehrkräfte bauen können.

Natürlich bin auch ich gegen Datenmissbrauch. Natürlich sollen Maßnahmen ergriffen werden, sodass niemand unsere 2.700 Schülerdaten und 1.400 Betriebedaten unrechtmäßig nutzt oder gar verkauft. Natürlich sollten unsere Schülerinnen und Schüler fit gemacht werden,

  • dass sie nicht auf Betrugsmaschen oder Kriminalität im Netz hereinfallen,
  • dass sie die AGBs von Verträgen und die Vertragsinhalte selbst verstehen und prüfen,
  • dass sie Internetinhalte auf Glaubwürdigkeit checken,
  • ihre persönlichen Daten nicht zu bereitwillig an obskure Netzakteure weitergeben,
  • ihre Recherche- und Arbeitsergebnisse vernünftig abspeichern und auch in vier Wochen wieder finden.
  • Und sie müssen natürlich das Urheberrecht bei Fotos, Musik und Texten strikt beachten und gegebenenfalls die Genehmigungen hierfür einholen.

Ich finde es auch toll und bewundernswert, dass einige Datenschützende es tatsächlich geschafft haben, den schier übermächtigen US-Netzriesen erste Zugeständnisse abzuringen.

Das Ende von Microsoft Team an deutschen Schulen?

Nichtsdestoweniger erscheinen mir die jüngsten Forderungen der Datenschutzbeauftragten doch deutlich überzogen und realitätsfern. Circa 80 Prozent sämtlicher Unternehmen in Deutschland und auch unsere Ausbildungsbetriebe verwenden Windows-Produkte, unsere Schulen und Lehrpersonen haben mit Windows 365 und Microsoft Teams in der Coronazeit sehr gute Erfahrungen gemacht, im Unterschied zu vielen anderen Schulen lief der Unterricht fast nahtlos weiter, dennoch fordern die Datenschützer jetzt nach zwei Jahren ein Ende von Teams. Viele Schulen haben auch mit der Videoplattform Zoom sehr gute Erfahrungen gemacht. Das System ist einfach zu handhaben und lief nahezu immer stabil. Der Branchenverband Bitkom nutzt es, die Unis nutzen es, nur an den Schulen ist Zoom inzwischen in einigen Bundesländern verboten.

Das Hauptargument der Datenschützer ist offenbar, dass Daten der US-Programme in den USA gespeichert und dort unter Umständen weiter gegeben werden können. Das ist sicherlich richtig. Aber über welche Daten reden wir hier denn, wenn wir die Programme im Unterricht verwenden? 

Sensible Daten in den Händen der US-Riesen?

Einmal muss man sich bei den Programmen mit einer Mailadresse anmelden. In vielen Fällen läuft die Anmeldung über eine schulische Mailadresse, vielfach haben die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte mehrere Mail-Accounts und können für die Anmeldung damit eine Placebo-Adresse nehmen. In beiden Fällen ist es jetzt vermutlich nicht so wahnsinnig relevant, welche Suchanfragen und Internetseiten diesen Mailadressen von irgendeinem US-Auswertungsprogramm zugeordnet werden können. 

Auch die Inhalte dürften für geheime oder kommerzielle US-Instanzen nicht gerade von Relevanz sein. Ich glaube kaum, dass die 432. PowerPoint-Präsentation über den Deutschen Bundestag, Nürnberger Friedhöfe oder die Arbeitslosenversicherung den Think Tanks in den USA oder der NSA große Erkenntnisgewinne bringen. Ganz abgesehen davon, ob die Schülerpräsentationen, Arbeitsblätter, Linklisten und Erklärfilme überhaupt inhaltlich richtig sind. Und die Arbeits- und Aufgabenblätter der Kolleginnen und Kollegen werden die Amerikaner auch nicht gerade vom Hocker reißen.

Es sieht also danach aus, dass die derzeit sehr rigiden Positionen der Datenschützer eher mir der Hybris ihrer gestiegenen Bedeutung und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit zu erklären ist, die sie zunehmend eine rigide, buchstabengetreue und wenig flexible und praxisgerechte Interpretation von Datenschutz einnehmen lässt.

Datenschutzbeauftragte müssen von Beginn an klare datenschutzkonforme Lösungen präsentieren

Was ich aber noch schlimmer finde, ist die Tatsache, dass die Datenschutzbeauftragten immer nur sagen, wie es nicht geht – und dies oftmals Monate und Jahre später, nachdem die Programme längst in der Breite implementiert sind –, sie aber nicht willens und fähig sind, im Vorhinein datenschutzkonforme Lösungen für die Praxis, für Schulen und Lehrerinnen und Lehrer vorzuschlagen und zu definieren.

Es gibt bis heute keine allgemein verfügbaren Muster von Datenschutzerklärungen für Schulen, für Lehrerseiten, für Schülerseiten oder für Projektseiten.

Ich habe zum Beispiel für eine neu erstellte Website zur Glaubwürdigkeitsprüfung von Netzinhalten die Datenschützer unserer Stadt, unseres Bundeslandes, unserer Lehrerfortbildungsanstalt und weitere Datenschützer im ganzen Bundesgebiet gebeten, die Datenschutzerklärung unserer Website zu prüfen. Kein einziger Datenschützer war dazu bereit, alle haben mich auf allgemeine Internetseiten oder an Anwälte verwiesen. Dabei handelte es sich um eine nackte Internetseite, die keinerlei Personendaten erfragt oder verarbeitet und die auch keinen Zähler oder Ähnliches im Hintergrund mitlaufen lässt.

Wir sollen mit unseren Schülerinnen und Schülern digitale Bildung betreiben, abwechslungsreich, kreativ und innovativ. Kein einziger Datenschützer und kein einziges Kultusministerium aber sind bereit, uns rechtlich unbedenkliche Musterlösungen für Lehrer- oder Schüler-Websites zur Verfügung stellen. Alle werden aber sicherlich schlaue Anmerkungen machen, wenn wir in einigen Monaten oder Jahren wegen rechtlicher Unzulänglichkeiten die Gebührennote eines Abmahnvereins erhalten.

Digitale Bildung braucht Freiräume. Datenschutzkonforme.

Datenschutz ist inzwischen ein Verhinderer von Digitaler Bildung, weil sich kaum noch eine Lehrkraft ohne Bedenken im Netz bewegt, statt dessen immer die persönliche Haftung und die Ängste der Schulleitung und Schulträger im Hinterkopf hat.

Wie aber wollen wir und die Schülerinnen und Schüler mit Experimentierfreude, Neugierde und Begeisterung die Räume und Entwicklungen des WWW ausloten, um sie auf die digitale Zukunft vorzubereiten und für sie resilient zu machen, wenn uns die Schere im Kopf in jeder Sekunde den Verzicht auf digitales Neuland dringlichst nahelegt?

Wir Lehrkräfte brauchen entweder Rückendeckung für experimentelle Freiräume oder klare Mustervorgaben für rechtlich unbedenkliche Netzaktivitäten und -projekte.

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