Quasi-nachgeführte Aufnahmen

Die Darstellung lichtschwacher Objekte gelingt ohne mechanische Nachführung durch die digitale Addition vieler kurzer Einzelbelichtungen mit der Software Fitswork.

Darstellung lichtschwacher Objekte ohne Strichspuren

Früher: Mechanische Nachführung

Unser Auge nimmt Sterne nicht als Strichspuren, sondern als Punkte wahr. Um lichtschwache Sterne fotografisch als Punkte oder kleine Kreise abzubilden, hatte man bis vor wenigen Jahren nur eine Möglichkeit: Die Kamera musste mit einer teuren und nicht einfach zu bedienenden Apparatur synchron zur Himmelsdrehung bewegt werden. Man spricht von "Nachführen" oder "Guiding".

Heute: Bildaddition am Computer

Dank der modernen Digitaltechnik kann man heute trotz ruhender Kamera und Belichtungszeiten von bis zu mehreren Minuten punktförmige Sternabbildungen erzielen: Man nimmt nacheinander dasselbe Sternfeld mehrfach mit so kurzen Belichtungszeiten auf, dass auf dem Sensor keine erkennbaren Strichspuren entstehen. Dann addiert man diese Digitalfotos mithilfe einer geeigneten Software (hier Fitswork). Bei dieser Addition werden die einzelnen Bilder vor dem Übereinanderlegen (Addieren) so verschoben, dass die Positionen derselben Sterne punktgenau aufeinander liegen. Bei zum Beispiel 40 Einzelbildern von je sechs Sekunden Belichtungszeit ist das Resultat ein Bild mit einer Belichtungszeit von vierzig mal sechs Sekunden, also vier Minuten.

Workflow im Überblick

Das gesamte Vorgehen umfasst folgende Schritte:

  • Wahl des zu fotografierenden Himmelsausschnitts
  • Wahl von Sensorempfindlichkeit, Belichtungszeit und Blendenöffnung
  • Ausrichten der auf einem Stativ montierten Kamera und Einstellen der geeigneten Brennweite bei Zoom-Objektiven
  • Fokussieren
  • Aufnahme einer Serie kurz belichteter Einzelbilder
  • Addition der Einzelbilder am Rechner, wobei die Bilder entsprechender Sterne punktgenau aufeinander zu liegen kommen
  • Bearbeiten des Summenbilds am Rechner

Aufnahme einer Serie kurz belichteter Einzelbilder

Kameraeinstellungen

Die Vorgehensweise wird am Beispiel einer Aufnahme des Sternbilds Orion beschrieben. Eine digitale Spiegelreflexkamera (Canon EOS 1000D mit Objektiv EF 50mm f/1,8) wurde auf einem gewöhnlichen Fotostativ fest montiert. Zur Verbesserung der Abbildungsqualität wurde leicht abgeblendet (Blende 2,5 bei ISO 1.600). Jedes von 15 Einzelbildern wurde sechs Sekunden belichtet, was einer Gesamtbelichtungszeit von 90 Sekunden entspricht. Zur Rauschminderung erfolgte jeweils ein Dunkelbildabzug. Abb. 12 (linke Teilabbildung, zur Vergrößerung bitte anklicken) zeigt ein unbearbeitetes Einzelbild, das bereits mehr Sterne zeigt, als das bloße Auge erkennen kann. Durch die kurze Belichtungszeit erscheinen die Sterne punktförmig.

Steuerung der Kameraauslösung

Am einfachsten steuert man die Kamera bei Serienbildern über ein Notebook mit der kameraspezifischen Software. Eine komfortable Alternative ist ein leichter, platzsparender Timer, der für knapp 60 Euro im Fotozubehörhandel erhältlich ist (zum Beispiel der LCD Timer TR90 für Canon EOS oder vergleichbare Produkte anderer Anbieter). Natürlich kann auch ein einfacher Kabelauslöser verwendet werden.

Anzahl der Markierungen

Bei "Anzahl der Markierungen" ist festzulegen, an wie vielen Sternen die Bilder vor der Addition passgenau ausgerichtet und übereinander gelegt werden sollen. Im Normalfall - also bei nicht zu kurzen Aufnahmebrennweiten - wählt man den Wert 2 und klickt dann auf "Start". Bei extremen Weitwinkeln werden nacheinander aufgenommene Himmelsfotos nicht nur gegeneinander verschoben, sondern auch verzerrt. Mit der Wahl "M" für "mehrere Zentriersterne" lässt sich das ausgleichen.

Bearbeiten des Summenbilds

Das mittlere Bild in Abb. 12 (siehe oben, zur Vergrößerung bitte anklicken) ist das unbearbeitete Summenbild von 15 Einzelbildern. Die linke Teilabbildung zeigt ein ebenfalls unbearbeitetes Einzelbild. Das mittlere Summenbild wird nun, wie bereits beschrieben, mithilfe der GIMP-Werkzeuge zur Bearbeitung der Tonwertkurve, des Kontrasts und der Farbton- beziehungsweise Farbsättigung optimiert. Ein mögliches Ergebnis zeigt das rechte Bild in Abb. 12. Zahlreiche mit bloßem Auge bei weitem nicht erkennbare Sterne heben sich vom dunklen Himmelshintergrund ab. Der im roten Licht der Wasserstoff-alpha-Linie leuchtende Orionnebel im unteren Bildteil fällt ins Auge.

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Peter Stinner

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