Geschichte und Struktur der EU: Die EU nach ihrer Erweiterung von 2007

Am 1. Januar 2007 traten Rumänien und Bulgarien der EU bei, obwohl lange umstritten war, ob diese beiden Länder "reif" für den Beitritt sind. Trotz aller Bedenken gab die EU-Kommission in ihrem letzten Fortschrittsbericht Ende September 2006 "grünes Licht".

Der Weg zur "Berliner Erklärung"

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

Nachdem Angela Merkel bei ihrem ersten EU-Gipfel im Dezember 2005 den Finanzstreit beilegen konnte, nahm sie sich für ihre Amtszeit als EU-Ratspräsidentin im ersten Halbjahr 2007 das zweite wichtige Thema vor: Die EU-Verfassung, die trotz "Plan D" bisher nicht so recht vorangeschritten war. Zwar hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen im Juni 2006 geeinigt, spätestens bis Jahresende 2008 über die Zukunft der Verfassung zu entscheiden, doch die europäischen Mühlen mahlen oft langsamer als geplant...

Die "Berliner Erklärung"

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft verhandelte mit den 26 anderen EU-Regierungen um die weiteren Details. Bundeskanzlerin Merkel wollte zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der "Römischen Verträge" im März 2007 bekannt geben, wie es mit der Verfassung weiter gehen sollte. Dieses Vorhaben konnte sie schließlich auch umsetzen: Zusammen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, unterzeichnete sie am 26. März 2007 die "Berliner Erklärung". Das knapp dreiseitige Dokument fasst die Entstehung, die Werte und die künftigen Herausforderungen der Europäischen Union zusammen. Die Staats- und Regierungschefs betonen zudem, dass man "die politische Gestalt Europas immer wieder zeitgemäß erneuern" müsse und bekräftigen zum Schluss ihre Absicht, "die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen".

Widerstände

Großbritannien: Kein Verfassungsvertrag!

Der britische Premierminister Tony Blair sagte in einem Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und sechs anderen europäischen Zeitungen, dass ein "vereinfachter Vertrag, ein Änderungsvertrag" nach dem Muster der Verträge von Amsterdam (1997) oder Nizza (2001) an die Stelle des Verfassungsvertrags treten müsse. Die negativen französischen und niederländischen Referenden sowie die öffentliche Debatte in anderen Ländern hätten gezeigt, dass sich ein Verfassungsvertrag nicht durchsetzen lasse. Er forderte in diesem Pressegespräch aber keinerlei Änderungen der im ersten Teil des Verfassungsvertrages vorgesehenen institutionellen Reformen der EU. Großbritannien fürchtete vor allem die Stärkung der europäischen Institutionen zum Nachteil der eigenen nationalen Souveränität.

Polen: Neuverhandlung über Stimmrechte

Die beiden schärfsten Kritiker, Polen und Tschechien, hatten ihre Positionen nach persönlichen Gesprächen mit Angela Merkel seit Mitte April 2007 etwas relativiert. Der polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski blieb allerdings in einem Punkt hart: Zwar befürworte er den Verfassungsprozess und erhoffe sich Lösungen auf dem EU-Gipfel im Juni, doch zugleich betonte er, dass er den im Verfassungsentwurf festgeschriebenen Verlust von Stimmrechten für Polen nicht hinnehmen wolle. Dieser Abstimmungsmechanismus mache Polen zu dem "am wenigsten bevorzugten Land in der EU", kritisierte er. Polen befürchtet, künftig zu leicht überstimmt werden zu können.

Tschechien: Kein Superstaat Europa!

Die tschechische Regierung konnte Merkel nach mehreren Gesprächen überzeugen: Die "Financial Times Deutschland" berichtete, dass es Merkel geschafft habe, die Vorbehalte von Ministerpräsident Mirek Topolanek und Präsident Vaclav Klaus abzubauen. Allerdings forderte Tschechien, "alle irreführenden Bezeichnungen aufzugeben, die den falschen Eindruck erwecken, der Vertrag führe zur Errichtung der Struktur eines Superstaats". Der Vertrag dürfe nicht länger Verfassung heißen und der außenpolitische Vertreter der Union dürfe nicht EU-Außenminister genannt werden. In diesem Punkt wurde Tschechien von den Briten unterstützt. Die tschechischen Bedenken konnten aber im Vorfeld schon ausgeräumt werden, da Ratspräsidentin Merkel sich von den "irreführenden Bezeichnungen" distanziert hatte.

EU-Gipfel in Brüssel

Das grosse Feilschen

Die zweijährige Verfassungskrise der EU wurde schließlich auf der Regierungskonferenz in Brüssel im Juni 2007 überwunden. Die größten Knacknüsse waren die britischen Befürchtungen des Verlustes der nationalen Souveränität und Polens Forderung nach Besserstellung ihres Stimmgewichts. Das Nebeneinander eines Außenkomissars und eines Außenbeauftragten wurde zwar aufgelöst, jedoch sollte die neue Position nicht mit EU-Außenminister bezeichnet werden. Um Polen zu einem Konsens zu bewegen bedurfte es da schon mehr Verhandlungsgeschick. Ratspräsidentin Merkel drohte mit Zustimmung der Mehrheit der Regierungen bei einem Veto Polens, diese in den weiteren Verhandlungen zu isolieren.

Beschlüsse des EU-Gipfels

Daraufhin einigte man sich bei der Stimmverteilung darauf, dass die Einführung der "doppelten Mehrheit" (Zustimmung von 55 Prozent der Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung stellen) erst 2014 gültig wird. Bis dahin soll das für Polen günstigere Abstimmungsverhältnis von Nizza weitergelten. Von einem auf 36 Monate gewählten Ratspräsidenten erhofft man sich mehr Kontinuität. Bisher wurde die Präsidentschaft jeweils auf sechs Monate gewählt. Die Grundrechte-Charta wird formal kein Bestandteil des neuen Vertrags. Ein Querverweis soll aber die Rechtsverbindlichkeit verdeutlichen. Die Briten erhalten eine Sonderstellung, da die Grundrechte-Charta für ihre Rechtsentscheidungen nicht anwendbar sein wird.

Der Fahrplan steht

Herbst 2007: Die portugiesische Ratspräsidentschaft, die der deutschen von Juli an nachfolgt, wird im Herbst eine weitere Regierungskonferenz einberufen. Auf der Basis des Brüssler "Mandats" wird dann der konkrete Text des Änderungsvertrages festgelegt.

Ende 2007: Die Änderungen der Verträge werden von den Regierungen beschlossen.

Bis Juni 2009: Diese müssen dann in der anschließenden Ratifizierungsphase von allen EU-Staaten zu geltendem Recht erklärt werden. Dies wird unterschiedlich gehandhabt. In Deutschland wird das Parlament diese Aufgabe übernehmen, in Irland dagegen wird es eine Volksabstimmung geben.

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Michael Bornkessel

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