Kulturelle Schulentwicklung mit dem Kulturfahrplan

Fachartikel

Der Kulturfahrplan – entwickelt im Modellprogramm "Kulturagenten für kreative Schulen" – soll Schulen dabei unterstützen, noch mehr Kunst und Kultur in den Schulalltag zu integrieren. Als Steuerungs- und Planungsinstrument dient der Kulturfahrplan der fortwährenden Reflexion der eigenen Zielsetzungen, der Überprüfung der Umsetzung in geeignete Maßnahmen und der Analyse des Erreichten.

Veränderungsprozesse in Schulen vollziehen sich in der Regel vor dem Hintergrund von Planungsinstrumenten – internen Leitbildern, (Rahmen-)Lehrplänen, Curricula sowie Ziel- und Leistungsvereinbarungen. Die Aufgabe von Kulturagentinnen und Kulturagenten ist es zunächst, eine Standortbestimmung durchzuführen und die in den Schulen bereits vorhandenen künstlerischen Angebote zusammenzutragen. Nach dieser Erhebungsphase dient ein individueller Kulturfahrplan als Planungsinstrument, um die kulturelle Profilierung der jeweiligen Schule voranzutreiben und kulturelle Bildung auf allen Ebenen zu implementieren.

Funktion und Aufgaben eines Kulturfahrplans

In erster Linie ist der Kulturfahrplan als Planungsinstrument gedacht, das in nachvollziehbaren Schritten konkrete Handlungsanleitungen für die an der Umsetzung beteiligten Akteure bietet. Des Weiteren soll er die Information und Kommunikation unter den unmittelbar Beteiligten sowie in die Schulöffentlichkeit vereinfachen. Als Evaluationsinstrument angelegt hilft er, den Prozess zu dokumentieren, Ziele zu überprüfen, Qualität zu sichern und damit auch eine Weiterentwicklung anzustoßen. Durch ihn kann eine Öffentlichkeit weit über die Schule hinaus hergestellt werden, wenn er auf entsprechenden Plattformen, wie zum Beispiel der Schulhomepage, präsentiert wird. Nicht zuletzt kann er eine identitätsstiftende Funktion einnehmen, wenn sich alle schulischen Akteure in den dort beschriebenen Visionen, Zielen und Maßnahmen wiederfinden.

Inwieweit der Kulturfahrplan alle diese Ansprüche erfüllen kann oder auch soll, hängt einerseits von seinem Entstehungsprozess und seiner Ausgestaltung ab, andererseits von der Bedeutsamkeit, die ihm von schulischer Seite beigemessen wird.

Der Entstehungsprozess eines Kulturfahrplans

Die kulturelle Schwerpunktsetzung einer Schule ist mehr als eine Aneinanderreihung von Projekten und Präsentationen und betrifft nicht nur die musischen Fächer, sondern das gesamte Schulleben, und sie geht auch mit einer Öffnung der Schule für Kooperationen mit Kulturpartnern einher. Schulen, die diesen Ansatz verfolgen, sollten daher in der Entstehungsphase ihres Kulturfahrplans möglichst viele schulische Ebenen und idealerweise auch schon Kulturpartner einbinden. Dies basiert auf der Erfahrung, dass Veränderungsprozesse in der Regel nur dann gelingen, wenn alle beteiligten Akteure die Ziele uneingeschränkt mittragen.

Dafür können unterschiedliche Beteiligungsmodelle und Partizipationsinstrumente entwickelt werden. Diese reichen von schulübergreifenden Zukunftswerkstätten über Ideenfindungsworkshops und Open-Space-Ansätze bis zu pädagogischen Tagen und Strategiekonferenzen. Neben dem Lehrerkollegium ist es sinnvoll, daran auch die Schülerschaft und die Eltern zu beteiligen.

Die Struktur eines Kulturfahrplans

Der Kulturfahrplan besteht in der Regel aus zwei Teilen, die sich aus der Vorgabe ergeben, als erstes eine Vision zu entwickeln, um daraufhin die Maßnahmen zu deren Umsetzung zu planen.

Präambel

So existiert bei allen Kulturfahrplänen eine Art "Präambel", in der die Ausgangslage beziehungsweise eine Standortbestimmung beschrieben werden und die Schulvisionen mit den wichtigsten Leitzielen formuliert sind. Oft werden diese durch Dokumentationen aus dem Entstehungsprozess ergänzt, zum Beispiel durch Fotoprotokolle einer Mindmap oder einer grafisch aufbereiteten Ideensammlung. Die Schulvisionen können sogar als "Manifest" formuliert und auf der Schulhomepage veröffentlicht werden (ein Beispiel findet sich hier).

Kulturfahrplan

In einem zweiten Dokument, dem eigentlichen Kulturfahrplan, werden die Leit- und Teilziele sowie die konkreten Maßnahmen zu deren Erreichung beschrieben - etwa als Tabellenstruktur oder in Form einer Mindmap. Bei den Zielen geht es um die Frage nach dem "Warum?", bei den Maßnahmen um das "Was? Wann? Wie? Wo? Wer? Mit wem?"; im Idealfall werden auch die Verantwortlichkeiten benannt. Die Inhalte können auch mit einer separaten Zeitschiene in Form eines Balkendiagramms kombiniert werden, an dem die Zeitfenster für einzelne Maßnahmen und die Meilensteine gut ablesbar sind. Das ist eine wichtige Orientierungs- und Erinnerungshilfe für die Beteiligten.

Ein logischer Aufbau des Kulturfahrplans, in dem sich die nächsten Schritte und Maßnahmen nachvollziehbar aus den vorangegangen ableiten lassen, macht die prozesshafte Weiterentwicklung des Kulturagentenprogramms an der Schule sichtbar. Ausgehend von Leitzielen und untergeordneten Teilzielen werden anschließend die konkreten Maßnahmen sehr spezifisch beschrieben. Damit diese keine "frommen Wünsche" bleiben, sind jeder Maßnahme Indikatoren zugeordnet, an denen sich ablesen lässt, ob und inwieweit diese erreicht beziehungsweise umgesetzt wurden.

Sinnvoll ist es, den Kulturfahrplan nach den Ebenen "Inhalt", "Prozess" und "Struktur" zu differenzieren. Jedes Projekt wie auch jede Organisation kann auf diesen drei Ebenen betrachtet werden:

  • Auf der Inhaltsebene werden Themen-, Sparten- und Profilschwerpunkte benannt; hier fließt auch explizit das Künstlerische ein: Richtung, Beteiligte, Konzepte, Qualität.
  • Der Prozess – in der Organisationsentwicklung auch als "Ablauforganisation" beschrieben – beinhaltet Formate und Angebote wie beispielsweise Workshops, Projekttage und -wochen, spezielle Kulturstunden- oder Präsentationsformate, aber auch Qualifizierungen, Kooperationen, Kommunikations- und andere Prozessabläufe.
  • Die Strukturebene – die "Aufbauorganisation" – enthält sowohl die einzurichtenden Gremien, wie Steuergruppen, Kulturbeauftragte und -teams oder Funktionsstellen, als auch zeitliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen.

Diese Differenzierung erweist sich als sinnvoll, da gerade die strukturellen und prozessualen Rahmenbedingungen schnell aus dem Fokus geraten.

Die Arbeit mit dem Kulturfahrplan

Ob und wie regelmäßig mit dem Kulturfahrplan gearbeitet wird, hängt davon ab, wie er angelegt ist:

  • Wenn er als "großer Wurf" angelegt ist, der nur die wichtigsten Ziele, Maßnahmen und Eckdaten beschreibt, reicht es, ihn ab und zu, habjährlich oder jährlich, hervorzuholen und auf Einhaltung und Machbarkeit zu überprüfen.
  • Als kleinschrittige Handlungsanleitung mit konkreten Aufgabenbeschreibungen und Zuständigkeiten kann er die Treffen der Kultur- und Steuerungsgruppen oder der Kulturbeauftragten mit ihren Kulturagentinnen und Kulturagenten als Arbeitsinstrument begleiten.

Verantwortlichkeit und Nachhaltigkeit

Wichtig ist, dass sich jemand für den Kulturfahrplan zuständig fühlt und ihn als Tischvorlage immer wieder in die Gremien einbringt. Die Erfahrung zeigt, dass man in der Anfangseuphorie Ziele häufig zu ambitioniert und Zeitfenster zu optimistisch einschätzt. Die Einbindung der Kulturpartner sowohl in die Entwicklung als auch in die Arbeit mit dem Kulturfahrplan erweist sich als sehr sinnvoll, denn sie haben Erfahrungen mit kreativen Prozessen und im Projektmanagement und können am ehesten einschätzen, was realistisch ist.

Alltagstauglichkeit

Die Alltagstauglichkeit des Kulturfahrplans zeigt sich auch in der Flexibilität seiner Handhabung. So machen Lehrerinnen und Lehrer tagtäglich die Erfahrung, dass selbst ein eng strukturiertes Raster wie der Stundenplan keinen reibungslosen Ablauf garantiert. Im schulischen Alltag gibt es immer wieder Unwägbarkeiten, seien es Vertretungen, Unterbrechungen oder Störungen im Unterricht, die wohldurchdachte Pläne durchkreuzen. Bei einem so umfassenden, langfristig angelegten Plan wie dem Kulturfahrplan bleibt dies erst recht nicht aus. Die Vorstellung, dass der Kulturfahrplan "eine geteerte Autobahn ist, auf der man losrasen kann", weicht schnell der Erkenntnis, dass man sich eher auf einem "Zick-Zack-Kurs" befindet – so fasst eine kulturbeauftragte Lehrerin ihre Erfahrungen zusammen.

Verbindlichkeit und Durchsetzungskraft

Die Verankerung der Ergebnisse des Kulturfahrplans in den schulischen Curricula oder Ziel- und Leistungsvereinbarungen – wie sie an einigen Schulen unternommen wurde – bietet zwar noch keine Garantie für eine reibungslose und schnelle kulturelle Schulentwicklung, sorgt aber für eine größere Verbindlichkeit und Durchsetzungskraft in der langfristigen Planung. Da sie eine bindende Wirkung haben, müssen die schulischen Gremien die Rahmenbedingungen schaffen, damit die in diesen Instrumenten verankerten Maßnahmen auch umgesetzt werden können. Außerdem ist das ein wichtiges Signal an die Schulpolitik, verbunden mit der Hoffnung, dass die Verantwortlichen den für die Schulen wichtigen Veränderungsprozess wahrnehmen und durch entsprechende Maßnahmen zusätzlich unterstützen.

Dieser Fachartikel ist eine adaptierte Version des Artikels Der Kulturfahrplan: Systematische Implementierung von kultureller Bildung in den Schulalltag, erschienen in: Mission Kulturagenten – Onlinepublikation des Modellprogramms "Kulturagenten für kreative Schulen 2011-2015", Berlin 2015, unter: www.kulturagenten-programm.de.

Beispiel "Kulturfahrplan" zum Download

In Kooperation mit

Kulturagenten-Programm

"Kulturagenten für kreative Schulen" ist ein Programm der MUTIK gGmbH, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes und die Stiftung Mercator in den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen.

MUTIK

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen MUTIK GmbH. Als Partnergesellschaft der Stiftung Mercator gestaltet MUTIK bundesweite Netzwerkprojekte im Bereich kultureller Bildung an Schulen.

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Stephan Bock

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