Projekt Online4EDU: Schulunterricht ist noch nicht online

Fachartikel

Die Stiftung Digitale Chancen hat im Rahmen des Projekts Online4EDU im Februar 2015 Lehrkräfte gefragt, ob und welche Online-Anwendungen sie für ihre Arbeit nutzen. Anhand der Ergebnisse wird ein Blended-Learning-Kurs entwickelt.

Als Digital Natives nutzen Kinder und Jugendliche Online-Anwendungen und Apps auf selbstverständliche Weise, doch im Schulunterricht sieht die Realität leider anders aus. Smartphones müssen meistens ausgeschaltet werden und die digitalen Lernmöglichkeiten am PC, Laptop oder Tablet werden in Deutschland immer noch sehr begrenzt genutzt. Ein Potenzial, digitale Anwendungen in den Unterricht zu integrieren, liegt insbesondere darin, Lehrerinnen und Lehrer bei der Nutzung von Online-Anwendungen zu unterstützen. Welcher Bedarf genau besteht und wie dieser bestmöglich gedeckt werden kann, wurde im Rahmen des Projekts Online4EDU untersucht.

Hintergründe und Ergebnisse der Befragung

Digitale Medien sind noch nicht in jedem Klassenzimmer angekommen

Kinder und Jugendliche wachsen mit digitalen Medien auf und erfahren sie als selbstverständlichen Teil ihrer Welt. Tablets, Smartphones und das Internet sind längst zu alltäglichen Gegenständen für die "Digital Natives" geworden, deren Angebote für Freizeit und Schulaufgaben sie sich gerne bedienen. Tatsächlich werden digitale Medien in vielen Klassenräumen aber ausgegrenzt oder als Störfaktor wahrgenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig und sind sowohl bei der Ausstattung der Schulen als auch bei der Bereitschaft und Kompetenz der Lehrkräfte zu suchen (Initiative D21, 2014).

Anwendungen zur Online-Zusammenarbeit werden selten eingesetzt

Mit einer Online-Umfrage, an der 99 Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen im Februar 2015 teilgenommen haben, sollte herausgefunden werden, wie sicher und erfahren Lehrkräfte im Umgang mit Anwendungen zur Online-Zusammenarbeit, wie zum Beispiel Lernplattformen oder Online-Kalendern, sind. Auch wurde danach gefragt, für wie wichtig sie die Nutzung solcher Anwendungen in der Schulbildung halten. Das Ergebnis der Umfrage zeigt, wo ein wesentliches Problem bei der digitalen Bildung liegt, denn die Hälfte der befragten Lehrerinnen und Lehrer betrachten Anwendungen zur Online-Zusammenarbeit zwar als wichtige Instrumente für den Schulunterricht und zur Unterrichtsvorbereitung, selbst nutzen sie diese Instrumente aber nie oder weniger als einmal im Monat (69 Prozent der Befragten).

Weitere Ergebnisse

Die Online-Umfrage fand im Februar 2015 im Rahmen des EU-geförderten Projektes Online4EDU (Online Collaboration Tools in Education) statt, um Richtlinien für das Qualifizierungsangebot abzuleiten, das im Projekt entwickelt wird. Die Umfrage hat unter anderem ergeben, dass circa 40 Prozent der teilnehmenden Lehrkräfte im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit weniger oder nicht vertraut sind mit Online-Anwendungen und mobilen Endgeräten, diese also nicht kennen und mit ihnen nicht umgehen können. Darüber hinaus fehlt es im schulischen Rahmen an Situationen, in denen die Geräte und Online-Anwendungen im Unterricht zum Einsatz kommen, denn 69 Prozent der Befragten geben an, sogenannte "Collaborative Tools" nicht im professionellen Rahmen zu nutzen.

Bedarf an Konzepten und Training

Während die Auswertung der Umfrage in allen am Projekt beteiligten europäischen Ländern eine Diskrepanz zwischen der hohen empfundenen Wichtigkeit der Online-Anwendungen und den tatsächlichen Nutzungsgewohnheiten ergab, sind die Befragten in Deutschland eher skeptisch. 74 Prozent messen den Sozialen Medien eher weniger Bedeutung für den schulischen Rahmen bei. Hingegen ist für 45 Prozent wichtig oder sehr wichtig, mobile Endgeräte zu verwenden, um Lernaktivitäten zu gestalten. Dabei fühlen sich die Befragten im Umgang mit Smartphones und Social Media überwiegend sicherer, als bei der Nutzung von gängigen Online-Anwendungen wie Google Apps oder virtuellen Treffpunkten wie Skype. 43 Prozent der befragten Lehrkräfte erachten kollaborative Anwendungen (zum Beispiel Online-Speicher) als relevant für den Unterricht und für die Unterrichtsvorbereitung. Lehrende brauchen also einerseits Ideen beziehungsweise Konzepte, um Social Media in den Unterricht zu integrieren, andererseits Training im Umgang mit verschiedenen Tools, um diese mit den Schülerinnen und Schülern anwenden zu können.

Expertenbefragung und Ausblick

Analyse der Situation und Aufzeigen von Lösungswegen

Neben der Online-Umfrage wurden in Deutschland Expertinnen und Experten der Lehrerausbildung und Weiterbildung interviewt, die Gründe für die vergleichsweise seltene Anwendung von digitalen Medien im Unterricht nennen und mögliche Lösungsansätze aufzeigen. Stefan Aufenanger, Universitätsprofessor für Erziehungswissenschaften und Medienpädagogik an der Universität Mainz, sieht Gründe bei der Lehrerausbildung, die das zukünftige Lehrpersonal kaum darauf vorbereitet, digitale Medien in den Schulunterricht zu integrieren und mit Kolleginnen und Kollegen zu kollaborieren. Zudem fehle den Lehrkräften die Zeit, sich im Rahmen des regulären Lehrauftrags auch um die Technik und das Thema digitale Medien zu kümmern. Es herrsche daher ein Bedarf an mehr Training für Lehrerinnen und Lehrer, das durch die reguläre Arbeitszeit abgedeckt ist. Lisa Rosa, Mitarbeiterin des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung, sagt dazu: "Alle diese Zeit [für Fortbildungen, zum Experimentieren und Kollaborieren] muss ganz klar als Arbeitszeit berechnet werden - das heißt, sie muss vom Arbeitszeitkonto bezahlt werden."

Blended-Learning-Kurs als Ergebnis

Anhand der Ergebnisse wird der Online4EDU-Blended-Learning-Kurs in drei Lernbereichen zuerst die technischen Aspekte und den Umgang mit Tools zur Online-Zusammenarbeit vermitteln und anschließend aufzeigen, welche didaktischen Möglichkeiten es gibt, die Anwendungen für das Unterrichten zu nutzen.

Informationen zum Projekt Online4EDU

Das Projekt Online4EDU ist ein von der Europäischen Kommission gefördertes Projekt im Programm Erasmus+. Gegenstand ist die Entwicklung eines Blended-Learning Kurses für Lehrkräfte, um Anwendungen der Online-Zusammenarbeit in den Schulunterricht zu integrieren. Projektpartner in Deutschland ist die Stiftung Digitale Chancen. Ziel des Projektes Online4EDU ist die Unterstützung von Lehrerinnen und Lehrern bei der Anwendung von digitalen Medien im Schulalltag. Wenn Sie Fragen zum Projekt haben oder sich für den Kurs interessieren, melden Sie sich bei Nenja Wolbers unter nwolbers(at)digitale-chancen.de.

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Nenja Wolbers

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