"Lernen ist ein eigenaktiver Vorgang."

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Mathematik-Unterricht. "Lernen ist ein eigenaktiver Vorgang." Ich liebe diesen Satz. Unser Tagesplan sieht vor, dass wir eine bestimmte Buchseite mit vier Aufgaben schaffen. Puh. Das ist viel. Aber schaffbar. Zu Beginn der Stunde lasse ich die Kids erst einmal schön die Schultern kreisen. Dazu werden die Hände gelockert. Das ist bei uns ein Ritual und bedeutet: "Heute brauchen wir Konzentration, Ausdauer und vor allen Dingen: die Schreibhefte." Das läuft. Ich kreise und lockere mich selbstverständlich mit.

Nachdem anschließend alle die korrekte Buchseite offen vor sich liegen haben, darf ein Freiwilliger Aufgabe eins vorlesen. "Bjarne, los geht's!" "Welcher Wochentag war gestern? Welcher Tag ist morgen?" "Prima Bjarne, dankeschön. Jetzt sprecht mit euren Banknachbarn über die Aufgabe. Wer weiß, wie die Lösung lautet, meldet sich."

Emsiges Diskutieren. Ich lausche. Ein Traum. Max erklärt Manni, dass heute Mittwoch sei und demzufolge morgen Donnerstag ist. Nur leider ist heute Dienstag und nicht Mittwoch. Da Manni aber ein Fuchs ist, holt er sein Hausaufgabenheft hervor. "Warte, ich schau mal im Hausaufgabenheft nach. Da stehen doch die Wochentage drin. Gestern gab es Sterne, heute noch nicht. Der erste Tag, wo noch nichts steht, ist heute. Und morgen der Tag danach. Und gestern war der Tag, wo Herr Klafki uns schon Sterne gegeben hat!" Was für eine Problemlösungsstrategie. Das kann man so machen. "Hier, schau, gestern war Montag, da gab es schon Sterne, heute ist Dienstag. Da steht noch nichts. Und morgen ist dann Mittwoch. Kapiert?" Max schaut Manni mit großen Augen an. Das ging ihm wohl etwas zu schnell. "Das stimmt! Los, melde dich mit!" Und tatsächlich, beide Jungs melden sich. Und sie haben natürlich recht. Manni hat recht. Aber Max ist auch stolz. Womöglich, weil er augenscheinlich im richtigen Team war. Ich lobe beide Schüler und zwinker Manni anschließend zu. "Du, Manni, bitte erkläre Max deine tolle Idee noch einmal ganz entspannt." Max grinst. Und er versteht es. Das Prinzip hatte er ja längst drauf.

"Wunderbar, wir fassen also zusammen. Wer mag an die Tafel?" Alle Hände oben. "Chantal, komm du doch bitte nach vorne und bringe die Ergebnisse sauber an die Tafel." Fein säuberlich fasst sie Buchseite und Aufgabe sowie die geforderten Inhalte in einer Tabelle zusammen. "Wer das nicht hat, schreibt das bitte sauber ab. Jetzt." So holt man auch wirklich alle ab. Die Basis stimmt. Aufgabe eins haben alle nach kurzer Zeit richtig im Heft. "Gleich ertönt meine Klangschale. Ab dem Signal habt ihr 20 Minuten Zeit, die Aufgaben zwei bis vier alleine zu bearbeiten." Nach einem kurzen Raunen ertönt der Gong und alle arbeiten. Fast alle.

Anton meldet sich. "Du, Herr Klafki, wie geht Aufgabe zwei? Ich weiß nicht, was man da machen soll!" "Lernen ist ein eigenaktiver Prozess, lieber Anton. Es nützt dir gar nichts, wenn ich dir die Aufgabe förmlich vorkaue. Ich weiß, dass du das kannst. Zeig es mir!" Anton geht kurz in sich und überlegt. "Hm, geht die Aufgabe vielleicht so ähnlich wie die erste?" "Disco, Anton, das hast du wunderbar selbst erkannt. Jetzt ist die Lösung der Aufgaben ein Kinderspiel für dich." Anton lächelt. Und tatsächlich. Er löst sämtliche Aufgaben in der Folge fehlerfrei. Das wird belohnt, da gebe ich alles - Hausaufgabenheft raus - ein Stern für's eigenaktive Lernen.

Kinder, die schnell fertig sind, übernehmen Lernpatenschaften und helfen denjenigen, die länger und vor allen Dingen Hilfe brauchen. Das stärkt die Sozialkompetenz. Ganz nebenbei. Differenzierung nennen die Didaktiker wohl das Gesamtkonstrukt. Ich sage viel lieber: "Lernen ist ein eigenaktiver Vorgang."

Alle Namen der Schülerinnen und Schüler wurden von der Redaktion geändert.