Experiment geglückt – Lehrer baff
Kunst-Unterricht. Ich wage ein Experiment: Ohne jegliche Aufgabenstellung stelle ich eine große Kiste mit Buntpapier-Schnipseln vor die Tafel. "Meine Lieben, ich gebe euch jetzt eine Stunde Zeit. Seid kreativ. Ihr könnt machen, wozu ihr Lust habt. Kommt ruhig nach vorne und sucht euch etwas aus. Mehr möchte ich euch nicht sagen."
Die Kinder machen große Augen. Dazu sind sie natürlich sehr interessiert am Inhalt der Kiste. Kisten sind immer gut. Da ist was drin. Das muss da raus. Die Schülerinnen und Schüler kommen nach vorne und bedienen sich. Gut so. Zur Untermalung der Stunde lasse ich ein Hörspiel laufen. Auch dazu sage ich nichts weiter. Mein Ziel ist es abzuwarten und zu beobachten.
Die Schülerinnen und Schüler beginnen mit der Arbeit. Alle. Ohne Ausnahme. Jeder hat sein eigenes, ganz persönliches Ziel. Niemand redet. Alle lauschen der Geschichte und arbeiten konzentriert. Manche bauen das Hörspiel in ihre Arbeiten ein, einige machen etwas anderes. Aber alle Kinder haben eines gemeinsam: den absoluten Fokus auf ihr Tun. Sie beachten mich gar nicht. Abgetaucht in ihre kleinen, wundervollen Welten voller Schnipsel, die ein Meer darstellen, ein Schiff, Lego-Figuren, Planeten, Formen oder Abstraktionen, entstehen Arbeiten, die mehr sind als ein erreichtes Ziel. Vielmehr sind sie ein Hinweis. "Schenke uns Vertrauen. Erkenne, dass wir etwas erreichen können. Schau her, was wir alles können." Das hat kein Kind gesagt. Aber man konnte es in ihren Augen lesen.
Kinder brauchen Freiraum. Kinder sind kreativ. Wir sollten ihnen viel häufiger Zeit für ihre eigenen Gedankenspiele geben. Ein paar wenige Schnipsel reichen. Oder ein weißes Blatt Papier. Der Rest entsteht von ganz alleine. Und das muss ihnen niemand erklären. Experiment geglückt, Lehrer baff.