Kein Schulverweis auf Zuruf: Warum Eltern keine Disziplinarmaßnahmen "bestellen" können - Gericht stärkt pädagogisches Ermessen der Schule
Was passiert, wenn Eltern Disziplinarmaßnahmen "bestellen" wollen und warum Schulen pädagogisch entscheiden dürfen (und müssen), statt dem Druck von außen nachzugeben. Ein aktueller Schulrechtsfall aus NRW zeigt, wo die Grenzen elterlicher Einflussnahme liegen und was Lehrkräfte über ihr pädagogisches Ermessen wissen sollten.
Münster/Berlin. Weder Eltern noch Mitschülerinnen oder Mitschüler haben einen subjektiven Anspruch darauf, dass die Schule bestimmte Ordnungsmaßnahmen gegen andere Schülerinnen oder Schüler erlässt. Dies entschied am 10. Juli 2025 (AZ: 19 B 217/25) das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen. Es liegt im pädagogischen Ermessen der Schule, wie auf Pflichtverletzungen reagiert wird – und zwar ohne "Bestellwünsche" Dritter, erläutert das Rechtsportal anwaltauskunft.de.
Belästigung eines Schülers – Suspendierung erzwingbar?
Im Januar 2025 berührte in der Umkleidekabine eines Gymnasiums ein Schüler einen Klassenkameraden unangemessen. Die Eltern des betroffenen Schülers forderten daraufhin weitreichende Maßnahmen – unter anderem die Entlassung oder zumindest Versetzung des anderen Schülers in eine Parallelklasse.
Die Schule hingegen reagierte mit abgestuften Maßnahmen: temporärer Ausschluss vom Unterricht, ein schriftliches Entschuldigungsschreiben, sozialpädagogische Begleitung und ein Reflexionstagebuch zum Thema Kinderrechte.
Die Eltern gaben sich damit nicht zufrieden und klagten auf weitergehende schulische Sanktionen – ohne Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Aachen und nun auch vor dem OVG NRW.
Schulrecht: Pädagogisches Ermessen statt elterlicher Einflussnahme
Das Oberverwaltungsgericht machte in seiner Entscheidung deutlich, dass §53 SchulG NRW der Schule ein weites Ermessen bei schulischen Ordnungsmaßnahmen einräumt. Die Regelung diene primär der Aufrechterhaltung des geordneten Schulbetriebs und dem Schutz von Personen und Sachen – nicht aber individuellen Sanktionswünschen. Weder Eltern noch Mitschülerinnen und Mitschüler hätten ein einklagbares Recht darauf, dass bestimmte Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden.
Wichtig sei auch, dass solche Maßnahmen pädagogisch sinnvoll und verhältnismäßig seien. Die Schule müsse die Persönlichkeit, Einsichtsfähigkeit und den Entwicklungsstand des betreffenden Kindes einbeziehen. Schulordnungsmaßnahmen seien keine Strafen im klassischen Sinne, sondern erzieherische Instrumente – und genau so habe die Schule in diesem Fall gehandelt.
Was Lehrkräfte wissen sollten
- Schulen entscheiden eigenständig über schulische Maßnahmen – auch bei Konflikten zwischen Schülerinnen und Schülern.
- Schulordnungsmaßnahmen sind kein "Strafkatalog", sondern pädagogisch begründete Reaktionen.
- Weder Eltern noch andere Schülerinnen und Schüler haben ein Klagerecht auf bestimmte Sanktionen.
- Transparenz und Dokumentation der Maßnahmen stärken die Position der Schule im Konfliktfall.
- Gespräche mit allen Beteiligten und niedrigschwellige Maßnahmen (z. B. Reflexionstagebuch) können nachhaltiger wirken als reine Strafen.
Informationen: www.anwaltauskunft.de