Berufsberatung in Zeiten von Corona

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Mieke Meier lebt in Nordrhein-Westfalen, wo sie gerade ein Erweiterungsfach für das Lehramt studiert und freiberuflich in einem Bildungsprojekt arbeitet, das aufgrund der Corona-Pandemie alle Aufträge bis zu den Sommerferien absagen musste. In unserem heutigen Blog-Beitrag berichtet sie uns davon, wie die Maßnahmen zur sozialen Isolation sie und andere freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bildungsbereich treffen.

Fehlende Aufträge und finanzielle Probleme

Ich arbeite neben meinem Studium eines Erweiterungsfaches für das Lehramt aus tiefster Überzeugung und Leidenschaft für Projekte, in denen es um die eigene Stärkenentdeckung von Jugendlichen geht. Die Projekt-Durchführungen, in denen ich in den nächsten Wochen und Monate gearbeitet hätte, sind leider alle aufgrund der Corona-Pandemie bis zu den Sommerferien abgesagt.

Meine freiberuflichen Kolleginnen und Kollegen, die in diesem und verschiedenen anderen, oft auch eigenen Projekten wie Tanzkursen arbeiten, kommen in finanzielle Bedrängnisse und müssen jetzt Anträge auf Unterstützung stellen. Hinter jedem einzelnen Antrag steckt ein persönliches Schicksal, das mich sehr berührt.

Mein Alltag besteht derzeit aus der Hoffnung, dass die Projekte nach den Sommerferien weitergehen, jedoch kann das niemand risikolos versichern. Allen freiberuflichen Theaterpädagoginnen und -pädagogen, Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern sowie Honorarkräften im Bildungsbereich, denen jetzt die kompletten Einkünfte wegbrechen, ergeht es derzeit ähnlich. Ich hoffe, die Politik sieht ein, dass die Betreuung und Bildung von Kindern, zum Beispiel in Museen, Musikschulen, Bildungsprojekten und außerschulischen Lernorten, auch unersetzbare Jobs sind, die mehr finanzielle Absicherung verdienen.

Bürokratische Hürden: finanzielle Hilfen erreichen nicht jeden

Tagtäglich ändert sich die Faktenlage in allen Bereichen: Es kann in Nordrhein-Westfalen zwar ein Antrag für Soforthilfe in Höhe von maximal 2.000 Euro angefordert werden, jedoch lässt dieses Formular viele Menschen unberücksichtigt, da es sich nur an Mitglieder der Künstlersozialkasse richtet. Studentische Aushilfen sowie all diejenigen, die neben ihrer freiberuflichen Tätigkeit noch eine feste halbe Stelle haben und somit nicht Mitglied sind, haben also keinen Anspruch auf diese Unterstützung. Außerdem gibt es seit letzter Woche Freitag weitere Formulare online, bei denen Geld beantragt werden kann. Jedoch haben derzeit so viele Menschen diese Hilfen digital angefordert, sodass es vermutlich lange dauert, bis das Geld eintrifft und zuerst vermutlich alle berücksichtigt werden, die selbst Angestellte haben.

In anderen Bundesländern gibt es wieder andere Regelungen. Hier zeigt sich die Absurdität unseres föderalen Systems, denn eine Pandemie, die alle betrifft (pan = alle), macht natürlich nicht vor Ländergrenzen halt.

Unsicherheiten und fehlende Planbarkeit

Generell ist die Stimmung unter meinen Kolleginnen und Kollegen von Unsicherheit geprägt. Eigentlich müssen wir unsere persönliche finanzielle Lage mit Projekten immer ein halbes Jahr im Voraus planen, aber das ist in diesen Zeiten unmöglich. Alle Beschäftigten im Bildungssystem wünschen sich wohl konkrete und feste Daten, wann und wie es weitergeht. Aber wer kann das momentan schon absehen?

Man muss mit allem rechnen, auch mit dem Guten: Berufsorientierung in Zeiten von Corona

Ich versuche, der aktuellen Situation irgendwie auch etwas Positives abzugewinnen. Vermutlich dürfen wir uns alle einen imaginären Lob-Sticker "Geduld" auf die Schulter kleben. Die Wichtigkeit von einigen Branchen und Berufen zeigt sich in der Krise besonders deutlich: Derzeit wird viel von den sogenannten "systemrelevanten" Berufen gesprochen, also etwa die Alten- und Krankenpflege, der Einzelhandel oder das Handwerk – schließlich muss ein Notdienst auch jetzt beispielsweise eine defekte Toilette reparieren.

Wäre ich jetzt noch einmal Schülerin und müsste mich beruflich entscheiden, würde ich sofort eine Ausbildung in einem systemrelevanten Beruf machen, damit ich in jedem Moment dem Staat und der Gesellschaft helfen kann. Vielleicht bietet das Drücken der Pause-Taste für die aktuellen Jugendlichen ebenfalls spannende Ideen für die Berufsfindung. Die Langeweile fordert einen schließlich heraus, auch einmal Dinge auszuprobieren, die man sonst nicht macht!

Digitale Angebote als Lösung: Ideenaustausch

Die eigenen Stärken entdeckt man bei praktischer Arbeit zu Hause offensichtlich am ehesten, statt eines E-Learning Tools. Brotbacken und Zutaten abmessen beispielsweise funktioniert schließlich besonders gut in der eigenen Küche, statt virtuell vor dem Laptop. Doch viele Kompetenzen und Inhalte lassen sich auch - oder sogar besser? - digital vermitteln.

Wie geht ihr, wenn ihr freiberuflich im Bildungsbereich tätig seid, mit der Krise um? Bietet ihr eure Museumsführungen virtuell an? Viele Kunstmuseen zeigen derzeit ihre Exponate unter dem Hashtag #MuseumMomentofZen als Videos im Internet. Vielleicht erhalten Projekte zur sexuellen Aufklärung eine Chance, wenn sie online angeboten werden müssen, denn analog gibt es hierbei sicherlich mehr Gekicher, weil die pubertären Entwicklungsstufen in einer Gruppe oft sehr heterogen sind? Ich freue mich auf alle neuen digitalen Angebote, Ideen und Gedanken in der Kommentarspalte!

Bis dahin, bleibt gesund und rechnet weiterhin mit dem Guten! =)