Dschihad per Smartphone: Islamisten ködern Jugendliche

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veröffentlicht am 05.12.2016

Islamisten richten sich immer häufiger mit popkulturellen Elementen an ein junges Publikum im Netz, wie die Bundeszentrale für politische Bildung, jugendschutz.net und die Aktion Gemeinwesen und Beratung e. V. berichten.

Brutale Videos von Hinrichtungen, schockierende Bilder aus Kriegsgebieten und poppige Memes, die zum bewaffneten Kampf auffordern: Mit einem perfiden Mix aus Grauen, Action und Popkultur ködern Islamisten Jugendliche. Dazu nutzen sie vor allem den Messenger-Dienst Telegram. Zwei Drittel der Kanäle, die jugendschutz.net dort aktuell beobachtet, führen zu Hassinhalten.

"Telegram darf sich nicht zur sicheren Plattform entwickeln, über die Dschihadisten ungehindert den Krieg verherrlichen und zur Gewalt anstacheln", fordert Stefan Glaser, stellvertretender Leiter von jugendschutz.net. Während YouTube, Facebook und Twitter gegen Propaganda von Terrorgruppen vorgehen, tue Telegram bislang viel zu wenig. Auf den Betreiber müsse massiver Druck ausgeübt werden, damit er menschenverachtende Beiträge konsequent löscht und junge Userinnen und User schützt.

Vor allem der "Islamische Staat" rechtfertigte seinen Terror mit drastischen Online-Darstellungen und instrumentalisiert dazu auch Kinder: "Zwölfjährige werden als Henker und Kämpfer inszeniert, um neue Anhänger zu gewinnen und Gewalt zu legitimieren", so Glaser. Zudem gebe es auch Apps, die spielerisch schon die Kleinsten an extremistisches Gedankengut heranführen und Feindbilder schüren.

"Viele Schulen reagieren oft hilflos auf Extremismus unter ihren Schülern", konstatiert Dr. Michael Kiefer, Projektleiter des Modellprojekts "Clearingverfahren und Case Management – Prävention von, gewaltbereitem Neosalafismus und Rechtsextremismus". "Lehrer und pädagogische Fachkräfte brauchen daher Unterstützung und Konzepte, damit sie Schülerinnen und Schüler in ihrem demokratischen Wertesystem stärken und so vor islamistischer Propaganda schützen können".

Die Aktion Gemeinwesen und Beratung e.V. erprobt und implementiert im Rahmen dieses Modellprojekts derzeit ein Clearingverfahren an bundesweit sechs Schulen, um Radikalisierung vorzubeugen und mögliche Radikalisierungsprozesse zu unterbrechen. Die Maßnahmen sind für den schulischen Raum konzipiert und berücksichtigen alle relevanten schulischen und außerschulischen Akteure. "Bei der Bekämpfung von Islamismus müssen wir die Betreiber von Online-Diensten in die Pflicht nehmen. Wir brauchen bessere und wirksamere Meldesysteme bei jugendgefährdenden Inhalten. In der politischen Bildung müssen wir Fachkräfte aus Schule, Jugendarbeit, Verwaltung und Gemeinden interdisziplinär stärken, ihnen verlässliche Informationen geben, um islamistischer Propaganda die Grundlage zu entziehen. Aber politische Bildung muss viel früher ansetzen. Wir erwarten von den Ländern die Stärkung politischer Bildung in der Stundentafel von der Grundschule an. Und wir müssen die Ursachen des Anwerbeerfolges der Islamisten wissenschaftlich erforschen", sagt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Eine wichtige Rolle spielten dabei auch die erlebten Benachteiligungen der gefährdeten Jugendlichen und ihre emotionalen Reaktionen darauf.