Umfrage-Ergebnisse: Learnings aus einem Jahr Schule unter Corona-Bedingungen

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veröffentlicht am 29.03.2021

Die Corona-Pandemie und ihre Folgen für den Schulbetrieb und Unterricht begleiten uns nun schon seit einem Jahr. In einer bundesweiten Umfrage wollten wir wissen, welche Erfahrungen Lehrkräfte aus der corona-bedingten rasant fortschreitenden Digitalisierung mitnehmen und welche neuen Unterrichtsformate sich bewährt haben. An der Umfrage beteiligten sich im Februar und März 2021 innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen insgesamt 329 Lehrkräfte aller Schulformen, -stufen und -fächer. Die Umfrage wurde bundesweit über verschiedene Kanäle gestreut (etwa über unser Portal Lehrer-Online, über Social Media sowie über Partner-Netzwerke und -Portale).

Selbstverständliche Nutzung von digitalen Werkzeugen und Unterrichtsmaterialien

Apps und Tools für den Unterricht auf dem Vormarsch

Lehrkräfte nutzen nach einem Jahr Corona nun selbstverständlich digitale Werkzeuge für ihre Unterrichtsgestaltung, die sie vorher nicht oder kaum beruflich eingesetzt haben und möchten diese auch nach Corona nicht mehr missen. So sagen beispielsweise 36 Prozent* der Lehrkräfte, dass Apps und Tools für die Schul- und Unterrichtsorganisation bedingt durch die Corona-Pandemie nun selbstverständlicher Bestandteil ihres Unterrichtsalltags sind. Bei digitalen Kommunikationslösungen für den mündlichen Kontakt, wie zum Beispiel Video-Konferenzsystemen, beträgt das Ergebnis sogar 86 Prozent.

Nutzung digitaler Unterrichtsmaterialien nimmt stark zu

Lehrkräfte greifen nun auch wesentlich häufiger auf digitale Unterrichtsmaterialien zurück. Während interaktive Übungen vor Corona eher selten oder gar nicht zum Einsatz kamen, nutzen nun über 50 Prozent der Befragten mehrmals in der Woche digitales, interaktives Unterrichtsmaterial.

Gleichzeitig nimmt die Nutzung analoger Unterrichtsmaterialien ab. Lehrwerke und analoge Arbeitsblätter gehören zwar immer noch fest zum Unterricht dazu, werden jedoch um circa 25 Prozentseltener verwendet als vor der Corona-Pandemie. Auch Lehrwerke werden von über 80 Prozent der Lehrenden zwar immer noch mindestens ein Mal in der Woche eingesetzt, es ist allerdings eine Verlagerung innerhalb dieses Bereichs zu erkennen: Während das Lehrwerk vor Corona bei knapp 60 Prozent der Befragten Teil des täglichen Unterrichtsgeschehens war, wird es aktuell nur noch von 33 Prozent der Befragten täglich genutzt.

Gemischte Bilanz bezüglich der digitalen Infrastruktur an Schulen

Positive Entwicklung im Hinblick auf die Ausstattung mit schuleigener Software

Insgesamt hat sich die digitale Infrastruktur an Schulen im vergangenen Jahr positiv entwickelt. Fast 93 Prozent der Lehrkräfte verfügen nun beispielsweise über eine dienstliche E-Mail-Adresse, vorher waren es nur 72 Prozent.

Auch die Ausstattung der Lehrenden und Lernenden mit schuleigener Software (Clouds, Apps, Lernmanagementsysteme und so weiter) hat sich signifikant verbessert im letzten Jahr. Während vorher 60 Prozent der Befragten die Ausstattung mit schuleigener Software als mangelhaft oder schlechter bewerteten, tun dies jetzt nur noch 20 Prozent. Im Vergleich zur Grundgesamtheit wurde und wird die Ausstattung mit Software an den Grundschulen deutlich schlechter wahrgenommen.

Probleme bei der IT-Infrastruktur sowie Versorgung mit digitalem Unterrichtsmaterial

Nur langsam geht es voran im Hinblick auf die funktionstüchtige IT-Infrastruktur an Schulen. Noch immer bewerten 42 Prozent der Befragten die Ausstattung der Lehrenden mit schuleigener Hardware als ungenügend. Der Wunsch nach Dienstgeräten ist nach wie vor groß und auch die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler bewerten 25 Prozent der Lehrkräfte noch immer mit der Note 6 – trotz der im vergangenen Jahr in Millionen-Höhe vom Bund beschlossenen Mittel für die Ausstattung von Lernenden mit eigenen Endgeräten.

Auch die Ausstattung der Schulen mit eigenen digitalen Unterrichtsmaterialien hat sich insgesamt zwar verbessert, allerdings bewerten immer noch fast die Hälfte der Befragten die Versorgung mit schuleigenem digitalen Unterrichtsmaterial als mangelhaft oder schlechter. Daraus kann man schließen, dass Lehrkräfte andere Quellen heranziehen müssen, um ihren Bedarf an digitalen Unterrichtsmaterialien zu decken.

Unterrichtsformat "Wechsel-Unterricht" schneidet am schlechtesten ab

Die Umfrage-Ergebnisse verdeutlichen, dass Lehrkräfte im vergangenen Jahr viele verschiedene Unterrichtsformate ausprobiert haben, die vorher nahezu keine Rolle im Schulalltag gespielt haben. 60 Prozent der Befragten haben beispielsweise Erfahrungen mit Wechsel-Unterricht gemacht und drei Viertel der Befragten mit rein digitalem Unterricht.

Die besten Erfahrungen haben Lehrkräfte im vergangenen Jahr nach wie vor im Präsenz-Unterricht gemacht, allerdings wurden die Erfahrungen mit den unterschiedlichen Formen des Distanz-Unterrichts nur wenig schlechter bewertet (Präsenz-Unterricht: durchschnittlich Note 2,5; Distanz-Unterricht: durchschnittlich Note 2,7). Am schlechtesten wurden die Erfahrungen mit dem Format des Wechsel-Unterrichts bewertet. Rund ein Fünftel der Befragten konnte damit keine zufriedenstellenden Erfahrungen machen.

Kommunikationsformen im Distanz-Unterricht stark abhängig von der Schulform

Die befragten Lehrkräfte kommunizieren im Distanz-Unterricht auf unterschiedlichen Kanälen mit ihren Schülerinnen und Schülern. Vor allem genutzt werden dafür Video-Konferenzen (mündlich) und E-Mails (schriftlich). Die Kommunikation in Grundschulen unterscheidet sich jedoch in einigen Punkten von der an weiterführenden Schulen. Grundschul-Lehrkräfte halten deutlich seltener Video-Konferenzen ab, stattdessen wird wesentlich häufiger das Telefon zur Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern genutzt. Mehr als drei Viertel der Grundschul-Lehrkräfte besuchen darüber hinaus ihre Schülerinnen und Schüler persönlich. An weiterführenden Schulen scheint dies nicht die gängige Praxis zu sein. Insgesamt stehen Grundschul-Lehrkräfte in Zeiten von Distanz-Unterricht auch wesentlich häufiger mit ihren Lernenden in Kontakt (im Schnitt ungefähr an fünf Tagen pro Woche).

Drei Kriterien für erfolgreiches Lernen im Distanz-Unterricht

Wir haben in der Umfrage auch erfragt, wie sich der zeitweise Distanz-Unterricht auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgewirkt hat. 63 Prozent der Lehrkräfte ziehen hier eine gemischte Bilanz und immerhin 10 Prozent bewerten die Auswirkungen sogar als eher positiv.

Entscheidende Kriterien für den Erfolg/Misserfolg des Distanz-Unterrichts sind aus Sicht der Befragten drei Punkte: 

  • Eltern-Engagement: Viele der befragten Lehrkräfte denken, dass das Gelingen ihres Fern-Unterrichts abhängig von der Unterstützung der Schülerinnen und Schüler durch die Eltern ist. Für Grundschul-Kinder ist dieser Faktor der entscheidende, allerdings halten auch noch gut die Hälfte der Lehrkräfte an weiterführenden Schulen die Unterstützung durch das Elternhaus für bedeutsam.
  • IT-Infrastruktur und Endgeräte: Von vielen Lehrkräften wird die technische Ausstattung der Schülerinnen und Schüler als wichtiges Element für das Gelingen des Fern-Unterrichts genannt. Besonders Grundschul-Lehrkräfte nehmen wahr, dass in Familien, in denen die Lernenden nicht mit passender Hardware versorgt sind, Schülerinnen und Schüler den Anschluss verlieren.
  • Fähigkeit zur Selbstorganisation: An den weiterführenden Schulen scheinen vor allem die Fähigkeit zur Motivation und Selbstorganisation der Schülerinnen und Schüler wichtig für den Unterrichtserfolg zu sein. Nur Schülerinnen und Schüler, die motiviert sind und ihr Lernen gut strukturieren können, kommen auch im Fern-Unterricht gut mit.

Fazit und Forderungen

Lehrkräfte nutzen nach einem Jahr Corona inzwischen ganz selbstverständlich digitale Werkzeuge und Materialien für ihre Unterrichtsgestaltung, die sie vorher kaum beruflich eingesetzt haben. Sie legen eine wesentlich größere Experimentier-Freude an den Tag und bewerten die Erfahrungen, die sie mit digitalen Unterrichtsformaten gemacht haben, mitnichten so schlecht, wie es oft angenommen wird.

Dennoch wünschen sich Lehrkräfte auf verschiedenen Ebenen noch Unterstützung, damit sie die positiven Erfahrungen des letzten Jahres jetzt auch weiter ausbauen können. Sie brauchen vor allem gute Fortbildungsangebote und geeignetes, digitales Unterrichtsmaterial, das sie rechtssicher in ihrem Unterricht einsetzen können.

Es gilt nun, das Angebot an entsprechenden Angeboten und Materialien stark auszubauen, damit Lehrkräfte eben nicht nur über tolle technische Möglichkeiten verfügen, sondern diese auch sinnvoll in ihren Fach-Unterricht integrieren können. Das technische Grundgerüst steht mit den Lernplattformen, die viele Bundesländer inzwischen aufgebaut haben, aber es wird noch zu wenig in Lern-Materialien investiert, die auf die neue Situation zugeschnitten sind. Hierfür ist eine stärkere Unterstützung und Förderung durch Bund und Länder notwendig.

*Insgesamt haben 329 Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen an der Umfrage teilgenommen, darunter 61 Grundschullehrkräfte, 44 Lehrkräfte an Hauptschulen und Realschulen, 37 Lehrkräfte an Gesamtschulen, 91 Lehrkräfte an Gymnasien, 58 Lehrkräfte an beruflichen Schulen und 43 Lehrkräfte an sonstigen Schulformen. 

Mit den erhobenen Daten erheben wir selbstverständlich keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern können anhand der Umfrage-Ergebnisse lediglich einen möglichen Trend aufzeigen, der nun an einer wesentlich größeren Stichprobe und bestenfalls mit einer umfangreicheren Befragung näher untersucht werden müsste.