Bau und Funktion von Farbstoffsolarzellen

Aufbau und Funktionsprinzip einer Farbstoffsolarzelle werden auf der Stoff- und der Teilchenebene dargestellt.

Nachteile herkömmlicher Solarzellen

Eine Solarzelle wandelt Lichtenergie in elektrische Energie um. Bis zum Jahr 1990 standen dafür nur Halbleitermaterialien, zum Beispiel Silizium, zur Verfügung. Diese Materialien haben jedoch eine Reihe von Nachteilen:

  • Man benötigt sie elementar, das heißt, man muss sie aufwendig aus Verbindungen herstellen.
  • Da sie extrem rein sein müssen, sind sie über mehrere Schritte aufzureinigen.
  • Sie funktionieren nur mit bestimmten, genau dosierten Verunreinigungen (Dotierungen).
  • Die Materialien sind spröde.

Energierücklaufzeit und Lebensdauer

Die ersten drei der oben genannten Punkte verursachen hohe energetische Kosten, die die Energiebilanz belasten: Solarzellen müssen in Süddeutschland im Schnitt etwa vier Jahre betrieben werden, um die Energie zu liefern, die zuvor in ihre Produktion investiert wurde (Energierücklaufzeit). Der spröde Charakter der Halbleitermaterialien bereitet beim technischen Einsatz Schwierigkeiten: Die Module benötigen einen stabilen Träger, der sie vor dem Verbiegen schützt. Sehr schwierig gestaltet sich der Schutz vor Vibrationen, wie sie zum Beispiel an einem Fahrzeug auftreten. Beides belastet die Haltbarkeit der Solarzellen. Angestrebt werden mindestens 15 bis 30 Jahre, damit sie der Lebensdauer der zugehörigen Geräte (Beispiel Kraftfahrzeug) und Einrichtungen (Beispiel Hausdach) entspricht.

Lösung in Sicht?

Diese Nachteile sollten Farbstoffsolarzellen nicht haben - so stellte man es sich bei ihrer Erfindung im Jahr 1991 vor (B. O'Regan, M. Grätzel, Nature 353, Seite 737-739, 1991). Eine schöne historische Übersicht der technischen Entwicklung bis zum Jahr 2009 finden Sie auf der Webseite "Buch der Synergie".

Bau und Funktionsprinzip einer Farbstoffsolarzelle - Stoffebene

Man kann sich den Bau einer Grätzel-Farbstoffsolarzelle ungefähr wie den eines Hamburgers vorstellen (Abb. 1 und Abb. 2), der den meisten Schülerinnen und Schülern vertraut sein dürfte:

  • Titandioxid und pflanzlich Farbstoffe - das Fleisch im Burger

    Am wichtigsten ist ein Material, das Lichtteilchen (Photonen) aufnehmen und dafür Elektronen abgeben kann (beim Hamburger ist es natürlich das Fleisch). Michael Grätzel verwendete dafür Titandioxid, ein weißes Pulver, das auch in Wandfarbe enthalten ist. Die Lichtaufnahme kann sehr stark verbessert werden, wenn die Titandioxid-Körnchen von Farbstoffen umgeben sind (Hackfleisch schmeckt mit Gewürzen auch besser). In unserer Selbstbau-Zelle ist dies der Farbstoff aus Malven- oder Hibiskusblüten.
  • Iod-Lösung - der Saft im Fleisch

    Damit die abgegebenen Elektronen alle eingefangen werden können, sollte möglichst jedes Titandioxid-Körnchen von leitendem Material umgeben sein. In der Grätzel-Zelle ist dies eine Iod-Lösung, die als Flüssigkeit sehr gut in die Poren zwischen die Titandioxid-Körnchen eindringen kann (im Hamburger-Fleisch der Saft).
  • Kunststofffolie als Träger - die Brötchenhälften

    Leider ist auch Titandioxid spröde und benötigt einen geeigneten Träger. Zunächst wurden, wie auch beim Selbstbau-Modell, dünne Glasplatten verwendet. Heute setzt man dafür flexible Kunststofffolien ein, sowohl als Basisträger, als auch zum Abdecken (im Hamburger: die beiden Brötchenhälften).
  • Leitende Materialien - Soße und Salat

    Die Trägermaterialien Glas und Kunststoff leiten den elektrischen Strom nicht. Damit die Elektronen aus der Zelle heraus können und als elektrischer Strom zur Verfügung stehen, sind die Träger mit leitenden Materialien beschichtet (Abb. 1). In der Grätzel-Zelle ist es eine dünne, durchsichtige Schicht aus dem Material TCO (transparent conducting oxide), das am Plus-Pol des Selbstbau-Modells mit Grafit aus einem Bleistift verbessert werden kann (im Hamburger: die Soßen, auf einer Seite mit Salat).

Bau und Funktionsprinzip einer Farbstoffsolarzelle - Teilchenebene

Der Einfachheit halber gehen wir von der Teilchennatur des Lichts und der Elektronen aus: Die Sonne schickt uns Photonen-Teilchen, deren Energie wir auf Elektronen-Teilchen übertragen wollen. Das Trägermaterial ist an den im Folgenden beschriebenen chemischen Reaktionen nicht beteiligt:

  • Photonen regen Elektronen an

    Titan(IV)-oxid (Titandioxid) besitzt den richtigen energetischen Abstand zwischen mit Elektronen besetzten Energieniveaus und vielen unbesetzten Energieniveaus (etwa drei Elektronenvolt). Dieser Abstand kann von Elektronen überwunden werden, wenn sie von einem UV-Photon getroffen werden. Zusätzliche Farbstoffe nehmen Photonen aus einem breiteren Energiebereich des sichtbaren Spektrums auf, geben sie an das Titan(IV)-oxid weiter und erhöhen so die Ausbeute an energiereichen Elektronen.
  • Ein Elektrolyt liefert Elektronen nach

    Ein Elektronenfluss kommt nur zustande, wenn die durch Photonen bewegten Elektronen sofort ersetzt werden können. Dafür sorgt der Elektrolyt. Es handelt sich um ein Redox-System aus Triiodid-Anionen, die Elektronen abgeben, und Iod-Molekülen, die Elektronen aufnehmen können. Triiodid-Anionen liefern Elektronen gemäß der Gleichung: 2 I3- â†’ 3 I2 + 2e-
  • Rückfluss der Elektronen in den Elektrolyten

    Die leitfähige TCO-Schicht (transparent conducting oxide) besteht in vielen Fällen aus ITO (Indium Tin Oxide), einem halbleitenden Indium(III)-oxid, das mit 10 Prozent Zinn(IV)-oxid gezielt verunreinigt (dotiert) wurde. Nun leitet das ITO sehr gut, nimmt die Elektronen vom Titan(IV)-oxid (Anode) auf und gibt sie an den metallischen Leiter des Stromkreises, meistens einen Kupferdraht, weiter. Der Stromkreis ist erst geschlossen, wenn die Elektronen wieder in den Elektrolyten fließen können. Das geschieht am anderen Ende der Zelle wieder über eine ITO-Schicht, die mit leitendem Grafit (Kathode) belegt ist und die an den Elektrolyten grenzt. Die Materialien sind so gewählt, dass der Strom nur in eine Richtung fließt. Der Stromkreis wird durch die folgende Reaktion geschlossen: 3 I2 + 2e- â†’ 2 I3-

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Walter M. Wagner

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