Umbruchserfahrungen als Jugendlicher

Der Journalist und Buchautor Christian Fuchs wuchs in den 1980er-Jahren in der DDR auf. In einem Interview 2016 erzählt er von seinen Erfahrungen als Jugendlicher in den 1990er-Jahren.

Fuchs: Als Jugendlicher hatte ich immer das Gefühl, dass es zum Beispiel nicht sinnvoll sein kann, sein ganzes Leben an der Karriere auszurichten. Ich hatte unter anderem bei meinen Eltern erlebt, wie oft das schief geht. […] So bin ich aufgewachsen und das prägt mich bis heute. Und nicht nur mich, sondern einen großen Teil meiner Generation. Wir haben einfach gemerkt, dass jeder seines eigenen Glückes Schmied ist und dass man sich letztlich auf nichts anderes verlassen kann als auf sich selbst. Der Beruf kann sich genauso von einem auf den anderen Tag ändern wie das gesamte politische System.

Interviewer: Bemerken Sie denn einen Unterschied zu Gleichaltrigen in Westdeutschland?

Fuchs: In meinem persönlichen Umfeld habe ich zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass Westdeutsche immer noch sehr gern eine Festanstellung suchen, weil das Sicherheit verspricht. Ostdeutsche scheinen da weniger ängstlich zu sein und machen sich häufiger selbstständig. Daneben ist natürlich die Staatsgläubigkeit in Westdeutschland viel höher als bei uns im Osten. […]

Interviewer: Aber sind das nicht Erfahrungen, die man in ganz Osteuropa gemacht hat?

Fuchs: […] Ich war zum Beispiel einmal in einer polnischen Fernsehsendung eingeladen. Da wurden Erfahrungen von Polen und Deutschen verglichen. Dabei hat "TV Polonia 1" eine ehemalige polnische Schulklasse porträtiert. Von denen lebt heute keiner mehr in Polen. Die sind alle ins Ausland gegangen […]. So traurig das auch für Polen ist, merkt man doch, dass die jungen Leute dort noch hungrig sind. Die wollen noch etwas erreichen im Leben. Das ist in Ostdeutschland auch so.

(https://www.mdr.de/zeitreise/stoebern/damals/christian-fuchs100.html)