Migration nach Westdeutschland – Sichtweise Westdeutsch

Als im Zuge der Wiedervereinigung immer mehr Ostdeutsche auf der Suche nach Arbeit nach Westdeutschland übersiedelten, kam es in Westdeutschland immer wieder zu Ausschreitungen gegen Migranten aus Ostdeutschland. In einem Artikel aus dem Magazin „Der Spiegel“ vom 19.02.1990 mit dem Titel „Wieso kommen die noch“ berichtet.

[Es] sich zunehmend Angst breit, dass diejenigen, die nun Woche für Woche zu Tausenden mühelos die Grenzen passieren, das westdeutsche Sozialsystem sprengen und den Wohnungs- und Arbeitsmarkt zum Kollabieren bringen.

[…] Schon haben Unbekannte in einigen Hamburger Stadtteilen an Plakaten […] bei dem Slogan "Offene Grenzen, offene Herzen" den Zusatz "Willkommen bei uns" mit Messern zerfetzt und herausgerissen. In Herne, bei einer Übersiedlerdiskussion, flogen letzte Woche Steine. In einem neuerrichteten Übersiedlerheim in Godorf bei Köln legten Brandstifter Anfang des Monats gleich zweimal kurz hintereinander Feuer. […] Das Klima ist in den vergangenen Wochen deutlich rauer geworden. So hätten Nachbarn eine Übersiedler-Familie in Essen kürzlich auf der Straße als "DDR-Schweine" beschimpft […] und das sei kein Einzelfall. Auch Kinder aus der DDR haben zunehmend unter Anfeindungen zu leiden. […] In der Pause stünden die Zweit- und Drittklässler auf dem Schulhof zusammen und diskutierten, "wer raus muss aus Deutschland - die Aussiedler, die DDRler oder die Asylanten". […] […] Immer häufiger reagierten ortsansässige Wohnungssuchende "mit nackter Wut" auf die DDR-Konkurrenz […]. Überforderte Behördenmitarbeiter lassen sich zu Dutzenden versetzen oder krankschreiben, mancherorts werden Alarmklingelknöpfe unter den Kanten von Sozialamt-Schreibtischen installiert.

[…] Nordrhein-Westfalen zog […] die Notbremse und sperrte 64 Städte und Gemeinden für den weiteren Zuzug von Aus- und Übersiedlern. […] So mancher sehnt sich mittlerweile zurück nach einem Deutschland mit den Grenzen vom Oktober 1989. "Wir halten dieser Belastung nicht mehr stand", gibt Gerd Stille, Bürgermeister im niedersächsischen Rodenberg, die Stimmung in seiner Gemeinde wieder: "Hoffentlich wird die Mauer bald wieder dichtgemacht."

(https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13507374.html)