Uns fiel es leichter
Die Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch (geboren 1948) aus dem heutigen Belarus schrieb 2013 das Buch „Secondhand-Zeit“ in der sie Reportagen über Menschen bündelt, die wie sie selbst in der Sowjetunion geboren wurden und den Zusammenbruch der Sowjetunion erlebten.
„Ich
würde die Sowjetmenschen in vier Generationen einteilen: Die Stalin-, die
Chruschtschow-, die Breschnew- und die Gorbatschow-Generation. Ich gehöre zur
letzten. Uns fiel es leichter, den Zusammenbruch der kommunistischen Idee zu
akzeptieren, denn wir haben die Zeit nicht mehr erlebt, da die Idee noch junge
und stark war, noch die unverbrauchte Magie fataler Romantik und utopischer
Hoffnungen besaß. Wir sind unter den Kremlgreisen aufgewachsen. In
enthaltsamen, ‚vegetarischen‘ Zeiten. Das große Blutvergießen des Kommunismus
war schon vergessen. Das große Pathos war allgegenwärtig, aber ebenso das
Wissen darum, dass sich die Utopie nicht in die Wirklichkeit umsetzen lässt.“
(Swetlana
Alexijewitsch, Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus, München:
Carl Hanser Verlag 2013, S. 12.)