Sternhimmel im September: Der Kugelsternhaufen M13

Kugelsternhaufen enthalten die ältesten Sterne unserer Galaxie. Die Relikte aus der Entstehungszeit der Milchstraße geben Astronomen noch heute Rätsel auf.

"Himmlische Nadelkissen"

Der Anblick eines Kugelsternhaufens (kurz "Kugelhaufen") in einem leistungsstarken Amateurteleskop verblüfft jeden Betrachter! Am Rand der sphärischen Gebilde kann man zahllose Lichtpünktchen erkennen, die sich zum Zentrum hin zu einem scheinbar undurchdringlichen Gewimmel verdichten (Abb. 3, Foto von Jens Hackmann). In den kugelförmigen Gebilden, die einen Durchmesser von etwa einhundert Lichtjahren haben, drängen sich 100.000 oder sogar einige Millionen Sterne zusammen. Die Sternendichte in den Zentren der Kugelhaufen ist bis zu zehntausend Mal höher als in der galaktischen Umgebung der Sonne. Man kennt etwa 150 Kugelhaufen in unserer Galaxie. Ihre Gesamtzahl wird auf etwa 200 bis 500 geschätzt. Im Gegensatz zu den Offenen Sternhaufen, deren Geschwader sich nach ihrer Entstehung durch die Eigenbewegungen der Sterne auflösen, sind die Kugelsternhaufen durch die starke gravitative Bindung ihrer Sterne stabil.

M13 im Herkules

Der Kugelhaufen M 13 gilt als der schönste seiner Art auf der nördlichen Hemisphäre. Er enthält etwa 300.000 Sterne, hat einen Durchmesser von einhundert Lichtjahren und ist 25.000 Lichtjahre von uns entfernt. Unter sehr guten Bedingungen ist M13 bereits freiäugig zu finden. Im Feldstecher und im kleinen Teleskop ist er deutlich zu sehen, allerdings nur als verschwommenes Fleckchen. Wenn Sie Gelegenheit haben, Ihren Schülerinnen und Schülern einen Blick auf M13 durch ein Teleskop mit 20 Zentimetern Öffnung oder mehr zu ermöglichen (Volks- oder benachbarte Schulsternwarte), sollten Sie sie nutzen, denn mit einem solchen Gerät werden tausende Einzelsterne auf engstem Raum erkennbar. Zu finden ist der Kugelhaufen im Sternbild Herkules. Wer das Sternbild noch nicht kennt, wird überrascht sein, wie unscheinbar die Konstellation ist, die man dem antiken Superhelden zugedacht hat. Sie zeigt eine zentrale Raute, die zwischen den Sternbildern Leier und Nördliche Krone liegt. Bei der Suche danach sind die hellen Sterne Wega (Leier) und Arcturus (Bärenhüter oder Bootes) hilfreich (Abb. 4). Auf einer der Kanten der Raute finden Sie den Kugelsternhaufen.

Galaktische Methusalems

Metallarme Sterne der Population II

Kugelhaufen sind die ältesten Gebilde der Milchstraße. Ihre Sterne sind alle gleich alt - etwa zehn Milliarden Jahre und damit doppelt so alt wie unsere Sonne. Der interstellare Raum zwischen ihren Sternen ist "leergefegt", die Phase der Sternentstehung abgeschlossen. Die Kugelhaufen-Sterne gehören zur sogenannten "Sternpopulation II". Dabei handelt es sich um "metallarme" Sterne. Unter Astronomen hat es sich eingebürgert, alle Elemente jenseits des Heliums als Metalle zu bezeichnen, also zum Beispiel auch Kohlenstoff und Sauerstoff, die für Chemiker wenig metallisch sind. Sterne der Population II entstanden während einer Phase der kosmischen Evolution, in der der interstellare Raum noch nicht mit schweren Elementen angereichert war. Diese mussten erst im atomaren Feuer der frühen Sterne ausgebrütet werden. An ihrem Lebensende gaben diese ihre Metalle an das interstellare Medium ab, indem sie als Supernova explodierten oder ihre äußeren Hüllen abstießen (vergleiche Informationen zum M1 - Wenig zu sehen, aber Spannendes zu berichten, "Sternhimmel im Januar", und zum Der Ringnebel im Sternbild Leier, "Sternhimmel im Juni").

Junge Sterne der Population I sind Recycling-Produkte

Der mit Metallen angereicherte Sternenstaub wurde bei der Entstehung der Sterne der "Population I" wiederverwendet. Die jungen Sterne - wie unsere Sonne - enthalten daher mehr Metalle als alte Sterne. (Falls Sie zweifeln - es liegt kein Tippfehler vor: Die Population II ist definitionsgemäß der Vorläufer von Population I.) Die schweren Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel bilden neben dem Wasserstoff die Grundbausteine irdischen Lebens. Bewohnte Planeten (Baustoff: ebenfalls schwere Elemente) können daher in den Kugelhaufen nicht existieren. So kann wohl auch niemand den fantastischen Sternhimmel bewundern, der sich einem Betrachter im Inneren eines solchen Gebildes bieten würde ?

Kugelhaufen sind anders!

Verteilung der Kugelhaufen in der Milchstraße

Die Sterne der Milchstraße bewegen sich in der galaktischen Ebene um das Zentrum der Galaxie. Spiralnebel sind relativ flache Gebilde. Die Kugelhaufen zeigen dagegen eine sphärische Verteilung. Sie bilden einen kugelförmigen Milchstraßenhalo, der die galaktische Ebene einschließt. Der Schwerpunkt des Kugelhaufensystems ist identisch mit dem Zentrum der Milchstraße.

Warum sind Kugelhaufen so "ungerecht" über die Himmelskugel verteilt?

Diese Frage stellte sich der Astronom Harlow Shapley (1885-1972) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auf der Südhalbkugel der Erde sind nämlich deutlich mehr Kugelhaufen zu sehen als auf der Nordhalbkugel. Shapley ging von einer gleichmäßig-kugelförmigen Verteilung der Kugelhaufen um das Zentrum der Galaxie aus und bestimmte deren Entfernung mithilfe von delta-Cepheiden, einer besonderen Form Veränderlicher Sterne (Informationen zu diesen Indikatoren für die Entfernung finden Sie in der Unterrichtseinheit zur Die Entfernung der Galaxie M100). Shapley benutzte die ermittelten Positionen der Kugelhaufen, um die Position der Sonne relativ zum galaktischen Zentrum zu bestimmen. Seine Ergebnisse - die Erde befinde sich im Randbereich der Milchstraße und die Milchstraße sei viel größer als damals angenommen - führte 1920 zur sogenannten "Großen Debatte" zwischen Shapely und seinem Kollegen Herber Curtis (1872-1942). Dabei ging es um die Natur von Galaxien und die Größe des Universums. So bieten sich die Kugelhaufen auch für einen interessanten Exkurs in die Wissenschaftsgeschichte an. Informationen zur spannenden Auseinandersetzung zwischen Shapley und Curtis finden Sie zum Beispiel hier:

Nach wie vor rätselhaft

Die Entstehung der Kugelhaufen in der Frühgeschichte der Milchstraße ist noch heute geheimnisvoll und ein kaum verstandenes Phänomen. Dieser Hintergrund verleiht ihrem faszinieren Anblick bei der Beobachtung durch ein leistungsstarkes Teleskop noch ein zusätzliches i-Tüpfelchen.

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Dr. André Diesel

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Internationales Astronomiejahr 2009

Dieser Unterrichtsvorschlag wurden im Rahmen des Internationalen Astronomiejahrs 2009 (IYA2009) bei Lehrer-Online veröffentlicht.