Das Selbstlernzentrum im Bildungsgang Handelsschule

Fachartikel

Am Paul-Julius-Reuter-Berufskolleg hat sich die Einführung eines Selbstlernzentrums (SLZ) besonders zur Förderung leistungsschwächerer Schülerinnen und Schüler am PC bewährt.

Die Aufarbeitung der Ergebnisse von PISA hat unter anderem dazu geführt, dass sich in der aktuellen didaktischen Diskussion die Stimmen mehren, die auf die Notwendigkeit von gezieltem Training und vertiefenden Übungsphasen für den Lernerfolg hinweisen. Denn nur so können Schülerinnen und Schüler ein rasch abrufbares und langzeitig verfügbares Grundwissen erwerben, das ihnen die Lösung von komplexeren Anwendungs- und Transferaufgaben erst ermöglicht.

Wissen langfristig verfügbar machen

Notwendigkeit, das Lernen zu lernen

Dieses Grundwissen fehlt heutzutage auch dem Gros der Schülerinnen und Schüler, die am Berufskolleg in den Bildungsgang Handelsschule eintreten und hier ihre Fachoberschulreife "nachholen" möchten. Ihre Kenntnisse bewegen sich in Bezug auf die Verfügbarkeit von elementarem Fach- und Methodenwissen in vielen Fällen auf dem Niveau einer fünften Klasse, auch wenn sie das zehnte Schuljahr bereits abgeschlossen haben. Den Zusammenhang zwischen konsequentem Üben, dem Anfertigen von Hausaufgaben, der Vorbereitung auf den Unterricht und dem erfolgreichen Abschluss einer Klasse haben viele dieser Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer bisherigen Schullaufbahn nicht erkannt oder nicht akzeptieren wollen.

Erfolg durch Üben ermöglichen

Dies ist der wesentliche "Knackpunkt" der Arbeit in der Handelsschule. Es gilt während des gesamten Bildungsganges, konsequent mit den Schülerinnen und Schülern an ihrer Einstellung zum Lernen zu arbeiten, ihnen erfahrbar zu machen, dass nur verstärktes und regelmäßiges Üben – auch, aber nicht nur in der Form von Hausaufgaben – sie zum Lernerfolg führen kann. Sie müssen am Berufskolleg die Erfahrung machen können, dass – wenn sie bereit sind zusätzliche Arbeit auf sich zu nehmen – am Ende auch bessere Ergebnisse und damit der Lernerfolg stehen werden.

Lernen lernen am Computer

Den PC in die tägliche Unterrichtsarbeit der Handelsschule einzubeziehen, erweist sich hier als eine zusätzliche Möglichkeit, die Schülerinnen und Schüler an das eigenständige Lernen heranzuführen. Denn der Computer bietet für viele von ihnen ein großes Motivationspotential und ist zudem von nicht zu unterschätzendem Wert, wenn es darum geht, Kenntnisse durch Wiederholung zu verinnerlichen.

Differenzierung heterogener Lerngruppen

Beispiel Englischunterricht

Nehmen wir als ein Beispiel das Fach Englisch. Während im regulären Unterricht Texte gelesen, gehört und besprochen, Grammatik wiederholt und Sprachhandlungssituationen erarbeitet werden, kommt das Einüben von Strukturen, Grammatik, Vokabeln und Redewendungen für die leistungsschwächeren Schüler häufig zu kurz beziehungsweise wird für die leistungsstärkeren "zu breit getreten". Da der PC sich hervorragend zur Einübung von Vokabeln und Strukturen (aber auch zum Training von Matheaufgaben, zum Einüben kaufmännischen Fachwissens und, und, und …) eignet und die Schüler durchaus motiviert sind mit dem Gerät zu lernen, lässt sich die Arbeit am PC sehr gut zur Binnendifferenzierung von heterogenen Lerngruppen einsetzen. Wer das Basispensum erledigt hat, darf sich an komplexere Aufgabenstellungen wagen oder beispielsweise einen eigenen Text, der zuvor im Unterricht entwickelt worden ist, in einem Textverarbeitungsprogramm gestalten. Im Idealfall lernen die Schülerinnen und Schüler so, den Rechner als Hilfsmittel beim Üben zu akzeptieren und auch außerhalb des regulären Unterrichts auf ihn zurückzugreifen.

Lernorte

Dieses Lernen außerhalb des regulären Unterrichts kann sowohl zu Hause als auch im Lernort Selbstlernzentrum des Berufskollegs stattfinden. Es wird gerade über den Lernerfolg der Teilnehmer attraktiv, das heißt, wenn die Schülerinnen und Schüler sehen, dass sich die Noten in den Klassenarbeiten verbessern, sobald man im SLZ geübt hat, steigt die Bereitschaft dort zu lernen. Garant für diesen Lernerfolg ist auch, dass es im SLZ über die gekaufte Lernsoftware hinaus einen Pool an Übungsaufgaben gibt, der von den Fachkollegen zusammengestellt wurde und mit dem die Schülerinnen und Schüler sich gezielt auf Klassenarbeiten und Tests vorbereiten können. Zur Erstellung solcher Übungen eignet sich die Autorensoftware h5p hervorragend.

Betreuung im SLZ

Lehrkräfte als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner

Um die Arbeit für die Schülerinnen und Schüler im Selbstlernzentrum sinnvoll zu gestalten, ist unabdingbare Voraussetzung, dass ihr Lernprozess dort betreut und individuell auf sie zugeschnitten wird. Denn gerade ein im selbständigen Lernen ungeübter Schüler oder eine ungeübte Schülerin muss erst einmal an ein geeignetes Programm oder eine geeignete Übung herangeführt und dann während des Lernprozesses unterstützt werden. Auch muss eine Lerngruppe, die dazu tendiert, längere Erklärungen durch Überspringen einfach abzukürzen, zumindest die Möglichkeit haben, noch einmal nachfragen zu können, wie ein Programm denn funktioniert.

Unterstützung bei Berufswahl und Bewerbung

Nicht zuletzt ist eine individuelle Förderung der Handelsschülerinnen und -schüler im Selbstlernzentrum auch im Hinblick auf Berufswahl und Bewerbung wichtig. So können die Schüler zum einen an das Berufswahlprogramm der Bundesagentur für Arbeit, planet-beruf.de: mein Start in die Ausbildung herangeführt werden, um sich über ihre Berufswünsche zu informieren. Zum anderen können sie anhand von entsprechenden Programmen Eignungstests durcharbeiten, virtuelle Vorstellungsgespräche analysieren und ihre Bewerbungen perfekt gestalten. Gerade dies ist ein Angebot, das von vielen Schülerinnen und Schülern genutzt wird, die zu Hause nicht über die technischen Möglichkeiten, aber auch nicht über einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin verfügen, der oder die bei der Erstellung eines Bewerbungsschreibens Tipps gibt und auch einmal Korrektur liest.

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Dr. Antje Hagena

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