Bund will Länder austricksen

Hinsichtlich der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ist weiterhin umstritten, ob die Bundesländer über den Bundesrat zustimmen müssen – was diese vermutlich nicht wollen. Derzeit prüft die Bundesregierung Möglichkeiten der Umgehung der Landeskammer.

Inhaltliche Einordnung

Ziel

Der aktuelle politische Entscheidungsprozess ist durch ein hohes Maß an Kontroversität und Komplexität gekennzeichnet, was Schülerinnen und Schüler an dieser Stelle erkennen werden.

 

Unterrichtliche Platzierung

Verortet werden kann die Arbeit mit diesem Beitrag vor allem im Themenbereich "Energiepolitik".

Bund will Länder austricksen. Handelsblatt, 28.09.2010

Längere Laufzeiten von Kernkraftwerken: Mit einer Gesetzesänderung will die Regierung den Bundesrat umgehen.

 

Die Regierung will mit einer Gesetzesänderung verhindern, dass der Bundesrat den umstrittenen längeren Kernkraftwerkslaufzeiten zustimmen muss: Nach der Novelle des Atomgesetzes haften die Länder nicht mehr für Schäden bei einem Reaktorunfall. Keine Haftung - kein Mitspracherecht, so offenbar das Kalkül der Regierung.

 

Die Verlängerung der Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre ist eines der großen Projekte von Kanzlerin Angela Merkel. Die Pläne stehen und fallen jedoch mit der Frage der Bundesratsbeteiligung. Seit der NRW-Landtagswahl im Mai hat die schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit mehr in der Länderkammer.

 

Das Atomgesetz schreibt bisher vor, dass bei einem Unfall zunächst die Anlagenbetreiber bis zu 2,5 Milliarden Euro haften. In einem zweiten Schritt stehen Bund und Länder für bis zu 500 Millionen. Euro gerade, wovon der Bund bis zu 375 Millionen Euro übernimmt, das betroffene Land bis zu 125 Millionen Euro. Dieser Länderanteil soll künftig entfallen.

 

Aus der Sicht von Verfassungsrechtlern ist die Haftung der Länder ein Grund dafür, dass die Länderkammer der Änderung des Atomgesetzes zustimmen muss. Es liege die Annahme nahe, dass sich durch längere Laufzeiten die Haftungsbedingungen wesentlich änderten, was bei einer Laufzeitverlängerung die Zustimmungspflicht der Länder auslöse, sagt der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza. Wenn die Länder jedoch nicht mehr haften, entfällt dieses Argument.

 

"Die Änderung dient allein der Umgehung des Bundesrates. Sachlich ist sie kaum zu rechtfertigen", sagte Jens Kendzia, Mitautor eines Gutachtens zum Thema Haftung und Laufzeitverlängerung der auf Energierecht spezialisierten Kanzlei Gaßner, Groth und Siederer dem Handelsblatt.

 

Nach Ansicht von Gegnern der Laufzeitenverlängerung gibt es allerdings immer noch Argumente für eine Länderbeteiligung: Bei längeren Laufzeiten wird die Verwaltung der Länder bei der Atomaufsicht weiter in Anspruch genommen. Das allein löst aus Sicht der Gegner die Zustimmungspflicht aus. Einige Länder wollen daher klagen, wenn sie nicht beteiligt werden. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Laufzeitverlängerung dagegen für die Länder so wenig belastend, dass sie ohne deren Zutun beschlossen werden kann.

 

Quelle: Stratmann, K., Handelsblatt, Nr. 187, 28.09.2010, 4

Anregungen für Arbeitsaufträge

Die folgenden Arbeitsaufträge können als Anregungen für die unterrichtliche Weiterarbeit genutzt werden.

  • Legen Sie den aktuellen Status der Debatte um die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke dar. Geben Sie hierzu die Kernentscheidungen der Bundesregierung wieder.
  • Erläutern Sie den Streit um die Einbindung der Bundesländer via Bundesrat in den Entscheidungsprozess. Ermitteln Sie auch hier den aktuellen Stand der Auseinandersetzung.
  • Fassen Sie die in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung geplante Vorgehensweise zusammen.
  • Diskutieren Sie die Wirkungen der geplanten Vorgehensweise. Setzen Sie sich kritisch mit den hieraus gegebenenfalls resultierenden politischen Folgewirkungen auseinander.

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