RWE umgeht Brennelementesteuer

Der Energiekonzern tauscht noch vor dem Jahresende Brennstäbe im Kernkraftwerk Biblis, um die Belastung durch die neue Abgabe zu verringern.

Inhaltliche Einordnung

Eine Verortung vor allem in den Themenbereichen "Energiepolitik" und "Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft" ist möglich.

RWE umgeht Brennelementesteuer. Handelsblatt, 3.11.2010

Der Energiekonzern RWE tauscht noch vor der Einführung der neuen Atomsteuer im großen Stil Brennelemente in seinem Kernkraftwerk Biblis aus und spart dadurch Millionen. Wie das hessische Umweltministerium gestern mitteilte, will das Unternehmen in der Anlage 92 der 193 Brennelemente ersetzen. RWE spare dadurch 280 Mio. Euro Steuern.

 

Die Bundesregierung hatte im Rahmen ihres Sparpakets die Einführung einer neuen Brennelementesteuer beschlossen, die ab dem kommenden Jahr gelten soll. Pro Jahr soll sie 2,3 Mrd. Euro zur Konsolidierung des Haushalts einbringen. Gleichzeitig sollen die Energiekonzerne indirekt einen Teil der Gewinne abgeben, die sie durch die Verlängerung der Laufzeiten einnehmen. Besteuert werden laut dem in der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedeten Gesetz alle Brennelemente, sobald sie "erstmals eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird". Wenn dies noch vor Jahresbeginn passiert, ist das Element also noch ausgenommen. Die Steuer ist bis zum Jahr 2016 befristet. Brennelemente haben in der Regel eine Lebensdauer von vier bis sieben Jahren.

 

Ursprünglich war der Tausch in Biblis für Februar 2011 vorgesehen. Dies hätte dann durch die Besteuerung mit den genannten 280 Mio. Euro zu Buche geschlagen.

 

Eine RWE-Sprecherin bestätigte die Maßnahme, über die zuvor die "Frankfurter Rundschau" berichtet hatte. Sie betonte zwar, der Austausch orientiere sich an technischen Kriterien. "Selbstverständlich werden aber auch ökonomische Kriterien berücksichtigt", ergänzte sie. Biblis B müsse ohnehin heruntergefahren werden. Grund sei ein Turbinenschaden. "Die Nutzung von Stillständen zum Brennelementewechsel ist nicht ungewöhnlich", sagte die Sprecherin. Schon im September waren im Block A 44 Brennelemente ausgetauscht worden. Biblis A und B sind die ältesten der 17 noch laufenden Atomreaktoren in Deutschland.

 

SPD und Grüne sprachen von Tricksereien, durch die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wichtige Einnahmen entgingen. "Wie dumm muss man eigentlich sein, diesen Konzernen noch irgendwas zu glauben, das sind einfach keine ehrbaren Kaufleute", sagte der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Es sei ratsam, seine Finger nachzuzählen, nachdem man Vertretern der Atomkonzerne die Hand gereicht habe, meinte der Fraktionsvorsitzende der hessischen Grünen, Tarek Al-Wazir.

 

Anders als bei der Brennelementesteuer hatte die Regierung bei der neuen Flugticketsteuer eine Bremse gegen Vorzieheffekte eingebaut. Um zu vermeiden, dass sich Reisende noch schnell mit steuerfreien Flügen für das Jahr 2011 eindecken, wird sie rückwirkend zum 1. September eingeführt, dem Tag des Kabinettsbeschlusses.

 

Quelle: 03.11.2010, Handelsblatt, Nr. 213, 03.11.2010, 18

Anregungen für Arbeitsaufträge

Die folgenden Arbeitsaufträge können als Anregungen für die unterrichtliche Weiterarbeit genutzt werden.

  • Beschreiben Sie, wie der RWE-Konzern an einem seiner Standorte die Zahlung der neu eingeführten Brennelementesteuer umgeht.
  • Erklären Sie, inwieweit das Unternehmen im vorliegenden Fall eine Lücke im politisch gesetzten Restriktionsrahmen nutzt. Arbeiten Sie heraus, wie diese aus Sicht der politischen Entscheidungsträger unerwünschte Handlung hätte vermieden werden können.
  • Geben Sie die Reaktion der politischen Opposition im vorliegenden Fall wieder. Begründen Sie, warum diese vor dem Hintergrund der aktuellen Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke besonders deutlich ausfällt.
  • Ermitteln Sie weitere Beispiele solcher "nicht-intendierter" Handlungsfolgen politisch gesetzter Rahmenbedingungen aus anderen Wirtschaftsbereichen.

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