Interview mit Andreas Konrad, Gutenbergschule, zum Thema "Interaktives Whiteboard mit Wiimote"

Andreas Konrad ist Informatiklehrer am Gymnasium Gutenbergschule in Wiesbaden und betreute das Wiimote-Whiteboard-Projekt.

Sven Ludwig: Sehr geehrter Herr Konrad! Sie haben an Ihrer Schule ein "Wiimote-Whiteboard-Projekt" mit dem Titel "Pimp my Edding" durchgeführt. Es entstand tatsächlich auf Initiative Ihrer Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse?

Andreas Konrad: Ja und nein! Aber um dies genauer zu erläutern, muss ich ein wenig weiter ausholen.

Seit einigen Jahren finden an unserer Schule Vorträge von IBM im Rahmen der "Engineers Week" für Schüler ab Klasse 10 statt. Ingenieure und Studenten informieren unsere Schüler über die Möglichkeiten eines dualen Studiums bei IBM. Neben einem theoretischen Teil mit Vorlesungen und Seminaren arbeiten die Studenten in Praxisphasen bei IBM aktiv in verschiedenen Fachabteilungen und Projekten mit. Die Gruppe von Studenten, die 2008 unsere Schule besuchte, stellte in diesem Rahmen ihr Projekt "Pimp my Edding" vor. Dabei wurden Möglichkeiten aufgezeigt, einen Computer mithilfe des Spiele-Controllers WiiRemote zu steuern.

Ich nahm mit Schülern meines damaligen Leistungskurses Physik 12 an dem Vortrag teil. Mein Kurs war von der Vorführung der Studenten so beeindruckt, dass er mich spontan bat, das Projekt auch durchzuführen. Aber auch aus der Reaktion anderer teilnehmender Klassen (auch 10. Klassen) war erkennbar, dass die Schüler von dem Projekt begeistert waren. Gemeinsam mit dem Physikkurs entschied ich dann am naturwissenschaftlichen Projekttag für die 10. Klassen im Sommer 2008 das Projekt "Pimp my Edding - Das Wiimote Whiteboard" anzubieten.

Sven Ludwig: Was hielten Sie zunächst von der Idee, solch ein Gerät nachzubauen?

Andreas Konrad: Ich war von der Vorführung mindestens so begeistert wie unsere Schüler und habe mich gleich im Internet über die Projekte von Johnny Chung Lee mit der WiiRemote weiter informiert. Wenige Tage später habe ich mir eine WiiRemote gekauft und angefangen, Infrarot-LEDs aus alten Fernbedienungen auszulöten und diese dann mit einem Taster und einer Batterie in einen entkernten Edding 500 eingebaut.

Sven Ludwig: Welchen Nutzen zogen die Schüler aus dem Projekt und welchen Nutzen die Schule insgesamt?

Andreas Konrad: Die wesentliche Aufgabe der Schüler bestand darin, einen Infrarotstift zu bauen, der die Maus als Steuergerät des Computers am projizierten Beamerbild ersetzen sollte. Dazu mussten die einzelnen Gruppen eine (einfache) elektronische Schaltung aus einer Infrarot-LED, einem Taster und einer Batterie aufbauen. Die meisten Schüler haben zu diesem Zweck zum ersten Mal gelötet und gelernt, wie eine LED im Stromkreis eingebaut werden muss. Der Einbau der von den Schülern aufgebauten Schaltungen in die umgebauten Stifthüllen erforderte zudem handwerkliches Geschick. Durch die Arbeit in kleinen Gruppen, die mit Schülern des Physik-LKs verstärkt wurden, konnten die Schüler ihre individuellen Stärken einsetzen und ihre Teams kreativ unterstützen. Am Ende konnte jede Gruppe mindestens einen funktionsfähigen Infrarotstift vorweisen und diesen mit der Wiimote-Whiteboard-Software, die als Freeware im Internet bereitgestellt wird, erfolgreich testen.

Für die Schüler war es aus meiner Sicht eine spannende Begegnung mit Naturwissenschaften, denn auch fast zwei Jahre später werde ich immer noch von den beteiligten Schülern auf das Projekt angesprochen. Ihnen kann ich berichten, dass viele Außenstehende auf das Projekt aufmerksam geworden sind, das Projekt auf verschiedenen Veranstaltungen bereits vor Publikum vorgestellt wurde und mehrere Kollegen der Schule die Technik regelmäßig im eigenen Unterricht einsetzen.

An der Gutenbergschule setzen mittlerweile einige Kollegen das Wiimote-Whiteboard in ihrem Unterricht ein. Außerdem habe ich das Projekt gemeinsam mit meinem Kollegen Herrn Gotthardt bei verschiedenen Veranstaltungen vorgestellt (Innovative Teachers Forum 2008 Kassel: Publikumspreis, Medienbildungsmesse Gießen, Fuldaer Medientage, MINT-Messe 2010 im hessischen Landtag) und damit auf die Arbeit im MINT-Bereich unserer Schule hingewiesen.

Sven Ludwig: Falls eine Schule solch ein "Whiteboard" nachbauen möchte, ab welcher Klasse können in Ihren Augen Schüler und Schülerinnen daran mitarbeiten?

Andreas Konrad: Im ersten Halbjahr dieses Schuljahres habe ich das Projekt erneut im Informatikunterricht in der Klasse 8 durchgeführt. Das hat bereits bei den jungen Schülern gut geklappt, wobei sich mir aber auch gute Rahmenbedingungen bieten. In jedem Fall sollte das Projekt aber in der 10. Klasse durchführbar sein, unabhängig von der Schulform.

Sven Ludwig: Empfehlen Sie grundsätzlich die Einbeziehung der Schüler?

Andreas Konrad: In der Einbeziehung der Schüler sehe ich eine große Chance für eine spannende Unterrichtseinheit. Meine Schüler waren von Anfang an sehr motiviert, das lag insbesondere am Einsatz der ihnen vertrauten WiiRemote. Viele Schüler haben selbst eine Wii-Konsole zu Hause und kennen die WiiRemote daher, jedoch lediglich als Spiele-Controller. Die Möglichkeit, mit ihr auch einen Computer steuern zu können, faszinierte die Schüler und motivierte sie, mehr über die Steuerungsmöglichkeiten mit der WiiRemote zu erfahren. Das Interesse war so groß, dass sich die Schüler bereits vor Durchführung des Projekts im Internet über dort veröffentlichte Wii-Projekte informierten. Außerdem kam das eigene Kamera-Handy zur Prüfung der elektronischen Schaltung zum Einsatz. Die Kamera ist infrarotempfindlich, sodass man die verbauten Infrarot-LEDs "leuchten sehen" kann.

Die Schüler präsentieren ihr Projekt mittlerweile selbstständig zu verschiedenen Gelegenheiten (MINT-Messe im hessischen Landtag, Tag der offenen Tür) und erklären auch erwachsenen Besuchern ausführlich die Funktionen des Boards. Dabei werden sie zunehmend sicherer im Umgang mit Präsentations- und Interviewsituationen, was sich als deutlicher Kompetenzgewinn erweist.

Möchte man aber als Lehrer schnell ein kostengünstiges elektronisches Whiteboard im eigenen Unterricht einsetzen, dann kann man den Infrarotstift natürlich auch "schnell" selbst herstellen. Ein bisschen handwerkliches Geschick ist in beiden Fällen gefragt.

Sven Ludwig: Sehen Sie das "Wiimote-Whiteboard" als wirkliche Alternative zu einem "kommerziellen" Whiteboard?

Andreas Konrad: Für mich derzeit ja, da ich es überall hin mitnehmen kann. Auf Dauer sicherlich nicht, aber dann müsste ich auch in jedem Klassen- oder Seminarraum, in dem ich unterrichte oder Vorträge halte, solch ein Board vorfinden.

Außerdem ist mir bewusst, dass die Anbieter kommerzieller Lösungen (zum Teil) auch sehr gute Board-Software mitliefern, die muss ich mir fürs Wiimote-Whiteboard natürlich erst im Internet suchen.

Sven Ludwig: Welche Vor- und welche Nachteile sehen Sie in einem "Wiimote-Whiteboard"?

Andreas Konrad: Der entscheidende Vorteil ist der sehr günstige Preis in Verbindung mit einem vorhandenen Beamer und Notebook (50 bis 100 Euro). Außerdem ist es mobil und auf (fast) jeder Projektionsfläche einsetzbar. Die Technik läuft zudem stabil, und die Auflösung ist sehr präzise. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich durch die (nötige) intensive Auseinandersetzung mit der Technik eine entsprechend große Sicherheit im Umgang mit interaktiven Whiteboards ergibt. Die Angst vor der Arbeit an unbekannten Boards, so wie sie bei vielen Kollegen zu beobachten ist, entfällt völlig.

Nachteile werden meiner Meinung nach erst im Vergleich mit sehr viel teureren und nicht mobilen Einheiten deutlich. Wesentlich dabei ist die starre Projektionsfläche, was aber ein Problem aller mobilen Boards ist. Die erste Einrichtung des Wiimote-Whiteboards ist ohne Treiberdownloads nicht ohne weiteres möglich, und die Verbindung zum Rechner per Bluetooth fällt sicher nicht jedem Anwender leicht. Außerdem wird keine Tafel-Software frei Haus mitgeliefert, hier muss man im Internet recherchieren.

Wer sich ein eigenes Bild machen möchte findet unter www.gutenberg-gym.de alle nötigen Informationen und Baupläne.

Sven Ludwig: Lieber Herr Konrad, vielen Dank für das Interview und weiter solch innovative Projekte.

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