Modellbildung und Simulation

Fachartikel

Da Modellierung und Simulation durchgängig einem verbesserten Systemverständnis dienen, sind diese Methoden für den Einsatz im Unterricht prädestiniert.

In den meisten Wissenschaften wird mit theoretischen Modellen gearbeitet, um die Komplexität der Wirklichkeit einzuschränken und dadurch Strukturen und Zusammenhänge deutlicher hervortreten zu lassen. Auf Basis mathematisch formalisierter Modelle können Softwareanwendungen programmiert werden, die eine Simulation der Vorgänge erlauben. Durch Simulationsläufe und Veränderung der Modellparameter lassen sich Erkenntnisse über das Modellverhalten gewinnen, die dann auf das reale System übertragen werden können.

Allgemeiner Nutzen und Anwendungsgebiete

Ein Labor, in dem experimentiert werden kann

Zwar sind die Ergebnisse nicht immer 1:1 auf die Realität übertragbar, da das Modell einzelne Aspekte unberücksichtigt lässt. Dennoch bietet die Computersimulation zahlreiche Vorteile gegenüber unmittelbarem Handeln in der Wirklichkeit. Eine Computersimulationsumgebung lässt sich als preiswertes und sicheres Labor interpretieren, in dem frei experimentiert werden kann. Dabei entstehen keine nennenswerten Kosten, Zeitverzögerungen, ethische Konflikte und Gefahren. Weiterhin sind Idealbedingungen dahingehend gegeben, dass sämtliche Parameter exakt kontrolliert werden können. So kann zum Beispiel ein Parameter verändert werden, während die übrigen Parameter konstant gehalten werden (ceteris paribus). Dadurch wird verständlich, welchen Einfluss einzelne Parameter auf das Verhalten des Gesamtsystems haben.

Simulationen in unterschiedlichen Bereichen

Aufgrund dieser Vorteile finden sich Computersimulationen in unterschiedlichsten Bereichen, zum Beispiel bei Atombombentests, Crashtests bei Autos, Simulationen von Schaltkreisen zur Entwicklung von Chips, Aerodynamiktests in der Formel 1, ökologischen Systemen (zum Beispiel zum Verständnis des Treibhauseffekts), ökonomischen Systemen (zum Verständnis und zur Planung volks- und betriebswirtschaftlicher Maßnahmen), Flugsimulatoren zur Ausbildung von Piloten.

Da Modellierung und Simulation durchgängig einem verbesserten Systemverständnis dienen, ist diese Vorgehensweise für den Einsatz im Unterricht prädestiniert.

Methodische Varianten

Glass-box und Black-box

Im Unterricht können Simulationen aufgrund komplett oder teilweise selbst erstellter oder aufgrund vorgefertigter Modelle angewendet werden. Durch eigene Modellbildung müssen sich Schülerinnen und Schüler intensiv mit den Elementen des Modells und deren Zusammenhängen beschäftigen, wodurch die Fähigkeit in Modellen zu denken, gefordert und gefördert wird. Dies lässt sich auch bei vorgefertigten Modellen erreichen, sofern sie transparent sind. Bei solchen Glass-box-Modellen können die Zusammenhänge untersucht werden. Dies ist bei Black-box-Modellen nicht der Fall: Hier kann der Anwender zwar Eingaben vornehmen und erhält Ergebnisse, er weiß aber nicht genau, wie sie zustande kamen. Solche Black-box-Modelle liegen häufig Planspielen zugrunde, sind aber für ein vertieftes Verständnis komplexer Systeme meist weniger geeignet.

Einsatz im Unterricht

Hypothesenbildung

Dem (virtuellen) Experiment mit dem Modell geht - wie im "richtigen Forscherleben" - eine Phase der Hypothesenbildung voraus. Geeignete Themen für die Arbeit mit dynamischen Modellen lassen sich bereits ab Klasse 9 in der Informatik, der Mathematik, den Natur- und Gesellschaftswissenschaften sowie im Wirtschaftsunterricht finden. Gebrauchsfertige Modelle können von den Schülerinnen und Schülern in Partnerarbeit erforscht oder von der Lehrkraft per Beamer präsentiert und im Plenum diskutiert werden. Im Rahmen des Unterrichts können aber auch eigene Modelle entwickelt werden, um zum Beispiel zuvor aufgestellte Hypothesen zu überprüfen.

Verifizierung oder Falsifizierung

Ergibt sich nach einem Simulationslauf eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem erwarteten und dem tatsächlichen Modellverhalten ist deren Ursache zu klären. Sie kann einerseits in einem noch schlecht konstruierten formalen Modell liegen, das dann zu verbessern wäre. Allerdings können die Differenzen auch in falschen Vorstellungen über das System und sein Verhalten begründet sein, also in einem falschen mentalen Modell des Anwenders. Dies nun erkannt zu haben, ermöglicht eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik und in der Folge eine Verbesserung des mentalen Modells und des Systemverständnisses.

Computermodell und mentales Modell

Erfahrungsgemäß ergeben sich insbesondere bei komplexeren Systemen im Zeitverlauf unerwartete Ergebnisse, da Vernetzungen und Dynamik meist nur unzureichend berücksichtigt werden. Somit ergeben sich erhebliche Lernchancen, die neben einem verbesserten Verständnis des untersuchten Systems auch die Fähigkeit zu systemischem Denken insgesamt verbessern können.

Anreiz durch hohe Schüleraktivität

Weiterhin empfiehlt sich der Einsatz dieser Methode, da sie von Schülerinnen und Schülern in der Regel als motivierend bewertet wird und einen hohen Grad an Schülerselbsttätigkeit ermöglicht.

Sozialform

Als Sozialform bietet sich dabei die selbstständige Gruppenarbeit an. Nach der Experimentierphase lohnt es sich, auf mögliche Artefakte einzugehen, um mit der Klasse eine Diskussion über die Aussagekraft von Computermodellen zu führen. Zu dieser Thematik gibt es einen sehr guten Artikel (John D. Sterman, Learning in and about complex systems, 1994).

Werkzeuge

Gute Modellbildungs- und Simulationssoftware ermöglicht dem Lernenden eine Entlastung von rechnerischen Routinetätigkeiten in großem Umfang. So werden eine aktive Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff gefördert und tiefer gehende kognitive Prozesse ermöglicht. Dies setzt jedoch voraus, dass die Software intuitiv bedienbar ist. Anderenfalls könnten technische Hürden den Nutzer von der Beschäftigung mit den Modellen ablenken.

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Prof. Dr. Holger Arndt

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