Prozessmodellierung im Wirtschaftsunterricht

Fachartikel

Prozessorientiertes Denken und Handeln zu fördern, ist ein zentrales Ziel des Lernfeldkonzepts. Aufbau- und Ablauforganisation eines Unternehmens zu dokumentieren und zu analysieren, ist in mehrfacher Hinsicht im Unterricht von Bedeutung.

Mit den Qualitätszertifizierungsmaßnahmen (DIN/ISO 9000ff.), die sich in den 90er Jahren stark in Unternehmen verbreiteten, gingen vielfältige Dokumentationspflichten einher. Zwar lassen sich sowohl Aufbau- als auch Ablauforganisation eines Betriebs verbal beschreiben, dies hat jedoch gravierende Nachteile. Textdokumentationen sind oft lang, unübersichtlich und missverständlich. Insofern sind grafische Darstellungen wie Organigramme, Wertschöpfungskettendiagramme und ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) überlegen und haben sich auch durchgesetzt.

Betriebswirtschaftlicher Nutzen der Prozessmodellierung

Als Argument gegen Dokumentationen wird vielfach der hohe Erstellungsaufwand angeführt. Dem stehen jedoch erhebliche Vorteile gegenüber, die derlei Bedenken aufwiegen:

Personenunabhängige Verfügbarkeit des Wissens

Zwar kennen einzelne Mitarbeiter ihre Arbeit, aber was passiert, wenn sie nicht mehr zur Verfügung stehen? Ist das Wissen, das sich sonst nur in den Köpfen der Mitarbeiter findet, dokumentiert, sind Unternehmen vor plötzlichem Know-how-Verlust geschützt.

Erleichterte Einarbeitung neuer Mitarbeiter

Generell sind Prozessdokumentationen hilfreich, wenn Stellen neu besetzt werden, da sich die neuen Stelleninhaber weitgehend selbstständig, schnell und zielgerichtet einarbeiten können.

Erhöhte Mitarbeitermotivation

Anschauliche Prozessdokumentationen verdeutlichen den einzelnen Mitarbeitern, wo ihre Tätigkeiten im Gesamtprozess stehen und welche Auswirkungen ihre Aktivitäten auf ihn haben. Dadurch wird das prozessorientierte Verständnis der Mitarbeiter gefördert. Sie denken so über "den Rand ihres Schreibtischs" hinaus und erkennen ihren persönlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg, was motivationsfördernd wirkt. Durch Dokumentation werden komplizierte Prozesse den Mitarbeitern erst transparent.

Auswertungsmöglichkeiten

Werden die Prozesse mithilfe von Softwaretools wie ARIS dokumentiert, können die erstellten Modelle nach unterschiedlichsten Fragestellungen ausgewertet werden. Ferner sind die Modelle mit Dateien verknüpfbar, so dass ein Modell zu einer zentralen Informationsstelle wird: ein Blick in ein gut gepflegtes Modell erlaubt den direkten Zugriff auf genau die Daten, die für einen bestimmten Prozess benötigt werden.

Prozessoptimierung

Die Prozessmodellierung ermöglicht ein genaues Erkennen und Verstehen des Ist-Zustands. Aufgrund einer strukturierten und anschaulichen Basis wird vieles deutlicher: Schnittstellen lassen sich genauso erkennen wie unnötige Mehrarbeiten. Deutlich wird ebenfalls, wer welche Daten benötigt und welche Ressourcen gebraucht werden. Die eindeutige Visualisierung ist in Optimierungsprojekten eine klare Kommunikationsgrundlage, die hilft, Missverständnisse zu vermeiden.

Simulationen

Entsprechende Software vorausgesetzt, können auf Basis der erstellten Modelle Simulationen durchgeführt werden. So kann ein modellierter Ist-Prozess anhand verschiedener (ebenfalls zu modellierender) Kennziffern mit einem Soll-Prozess verglichen werden. Durch Simulationen lassen sich auch Engpässe frühzeitig erkennen.

Prozessmodellierung im Unterricht

Das Thema Prozessmodellierung wird im Wirtschaftsunterricht zunehmend bedeutsam. Nicht nur, weil Modellierungstätigkeiten im Unternehmen benötigt werden und somit eine gewünschte Kompetenz künftiger Mitarbeiter darstellen. Vielmehr ist die Prozessmodellierung eine geeignete Methode, Schülerinnen und Schüler zu prozessorientiertem Denken und Handeln zu befähigen, was eine zentrale Zielsetzung des Lernfeldkonzepts ist. Je nach Zielsetzungen und verfügbarer Ausstattung können Unternehmensprozesse sehr einfach nur mit Moderationskarten, mit Visualisierungssoftware (PowerPoint, Visio etc.) oder im High-End-Bereich mit datenbankbasierter Prozessmodellierungssoftware (am bekanntesten ist ARIS) modelliert werden. Unabhängig von der angestrebten technischen Umsetzung empfiehlt sich eine intensive Beschäftigung mit der jeweiligen Notation und den Modellierungsregeln, um die Prozessmodellierung qualifiziert im Unterricht einsetzen zu können.

 

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Prof. Dr. Holger Arndt

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