Die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika

Unterrichtseinheit

Die vorliegende Unterrichtseinheit thematisiert auf Basis von zeitgenössischen Ego-Dokumenten die Phase der deutschen Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, aus multiperspektivischer Sicht. Der Fokus liegt dabei auf der Genese des Aufstands der Herero – und später auch der Nama – im Jahre 1904 sowie auf dem verheerenden Umgang der lokalen Kolonialverwaltung mit ebendiesem.

  • Geschichte / Früher & Heute
  • Sekundarstufe I
  • 1 bis 2 Unterrichtsstunden
  • Arbeitsblatt
  • 3 Arbeitsmaterialien

Beschreibung der Unterrichtseinheit

In dieser Unterrichtseinheit zum Thema "Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika" setzen sich Schülerinnen und Schüler mit dem Völkermord der indigenen Bevölkerung im 19. Jahrhundert auseinander. Die Unterrichtsstunde soll die deutsche Kolonialherrschaft am Beispiel Deutsch-Südwestafrikas als ein beispielhaftes Moment europäischen Imperialismus' und Kolonialismus' kritisch reflektieren und steht simultan im Zeichen erinnerungs- und geschichtskultureller Fragestellungen von deutscher Schuld und Wiedergutmachung. Dabei sollen Sach- und Werturteilsfindung fokussiert werden, um das Geschichtsbewusstsein der Lernenden im Hinblick auf die moralische und identitäre Dimension zu erweitern.

Unterrichtsablauf

Inhalt
Sozial- / Aktionsform

Didaktisch-methodischer Kommentar

Bei der ausgewählten Bildquelle als Einstiegsimpuls handelt es sich um den Einband eines kontemporären Schulbuchs aus dem Jahre 1891. Sie kommt deshalb zum Einsatz, um anhand einer zeitgenössischen, einseitig-verklärten Auffassungs- und Umgangsweise von beziehungsweise mit der deutschen Kolonialherrschaft Rückschlüsse auf den historisch fundierten, nicht-verklärten Charakter ebendieser zu ermöglichen. Idealerweise wird die Verklärtheit der ausgewählten Bildquelle bereits während des Einstiegs von den Lernenden kritisiert, sodass problemorientierte Fragestellungen formuliert werden, die darauf abzielen, das seitens der Bildquelle stilisierte friedliche Miteinander innerhalb kolonialer Praxis zu dekonstruieren.

Das für die Erarbeitungsphase ausgewählte Quellen- und Textmaterial besteht aus den Traditionsquellen Q1 und Q2 sowie aus Material M1. Quelle Q1 erhält deshalb Einzug in die Unterrichtsstunde, da es sich hierbei um eine der wohl zentralsten überlieferten Zeugnisse deutsch-namibischer Kolonialgeschichte handelt und sie die Konsequenzen deutscher Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika aus der Perspektive Indigener anschaulich resümiert: Verfasser ist Hendrik Witbooi, einer der Kaptein der Nama, der 1905 im Kampf gegen die Schutztruppen fiel. Dem gegenüber steht der "Schießbefehl" Generalleutnant Lothar von Trothas im Rahmen von Q2: Dieser soll nicht nur deshalb Verwendung finden, da er den Unrechtscharakter deutscher Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika veranschaulicht, sondern auch, da er konkret als Auftakt des Völkermords an den Herero und Nama gedeutet werden kann. Material M1 ist als vermittelnde Instanz zwischen Q1 und Q2 zu deuten und soll über die Genese des Aufstands der Herero und Nama aus dem Jahr 1904 informieren.

Seit 1884 hatte man der indigenen Bevölkerung in Deutsch-Südwestafrika kontinuierlich ihre Existenzgrundlage entzogen. Sie lebte bis dato in Anbetracht der Unfruchtbarkeit des zu weiten Teilen aus Wüsten- und Savannenregionen bestehenden Landes vordergründig von der Viehzucht und war es vor diesem Hintergrund gewohnt, das für sie essentielle Weideland auf regelmäßiger Basis (halb-)nomadisch zu wechseln. Deutsche Siedlerinnen und Siedler, die aus dem Kaiserreich nach Deutsch-Südwestafrika kamen, um ihrerseits eine neue Existenz zu gründen, sahen sich dabei denselben klimatisch-geographischen Gegebenheiten ausgesetzt wie auch die indigene Bevölkerung: Unter dem Schutz militarisierter Privatunternehmen beziehungsweise – ab 1890 – unter deutscher Kolonialherrschaft stehend, beanspruchten sie die Mehrheit des nutzbaren Weidelands für ihre Zwecke.

Für die indigene Bevölkerung vor Ort waren diese europäischen Eigentumsverhältnisse ein Novum, ebenso die harten Strafmaßnahmen, die bei Verstößen – wie etwa dem Nutzen "deutscher" Weideflächen – praktiziert wurden. Als im Jahre 1897 die in Deutsch-Südwestafrika kursierende Rinderpest die ohnehin strukturell gefährdeten Herden der Indigenen zusätzlich dezimierte, resultierte dies in der endgültigen Abhängigkeit der indigenen Bevölkerung von deutschen Siedlerinnen und Siedlern. Angesichts existenzieller Not aus 20 Jahren der Unterdrückung und Ausbeutung setzten sich Anfang 1904 erst die Herero – und später auch die Nama – gewaltsam gegen die Fremdherrschaft zur Wehr: Infolge ebendieses Aufstandes starben mehrere Deutsche und es kam notgedrungen zu (Vieh-)Diebstählen.

Das Kaiserreich entsandte Generalleutnant Lothar von Trotha, der zuvor unter anderem den Boxeraufstand in Kiautschou mit Gewalt zerschlug, um "die Ordnung" in Deutsch-Südwestafrika zu restaurieren. Der sogenannte "Schießbefehl" Trothas – de facto ein Ultimatum, das den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts nach sich zog – führte schließlich dazu, dass zehntausende Herero und Nama, die nun um ihr Leben fürchten mussten, in die Kalahari- und Omaheke-Wüste flüchteten und dort von den Schutztruppen festgesetzt beziehungsweise eingekesselt wurden. Damit war das Leid der Herero und Nama noch nicht vorüber: Insgesamt starben bis 1908 etwa 60.000 bis 80.000 Herero (ca. 80% des Volks) und 10.000 Nama (ca. 50% des Volks) aufgrund deutscher Gewalteinwirkung – auch in Konzentrationslagern. Erst 2021 erkannte dies die Bundesrepublik Deutschland als Völkermord an.

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Vermittelte Kompetenzen

Fachkompetenzen

Die Schülerinnen und Schüler

  • beurteilen die deutsche Kolonialherrschaft am Beispiel Deutsch-Südwestafrikas kritisch.
  • erkennen, dass diese vor Ort nicht nur in Fremdherrschaft, gewaltsamer Unterdrückung und Ausbeutung der indigenen Bevölkerung resultierte, sondern auch in Völkermord.
  • ordnen die Genese des Widerstands der indigenen Bevölkerung gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika in einen strukturellen Zusammenhang ein.
  • erklären, welche Konsequenzen der Befehl Lothar von Trothas für die indigene Bevölkerung in Deutsch-Südwestafrika nach sich zog.

Methodenkompetenzen

Die Schülerinnen und Schüler

  • entwickeln sach- und problemorientierte Fragestellungen bezüglich deutscher Kolonialherrschaft.
  • arbeiten quellenbasiert die kontemporäre Selbstwahrnehmung Indigener bezüglich deutscher Kolonial- beziehungsweise Fremdherrschaft in Deutsch-Südwestafrika heraus.
  • erlernen durch Alteritätserfahrung sowohl Perspektivendifferenzierung als auch -übernahme und -koordinierung im Sinne von Multiperspektivität.
  • diskutieren kritisch über deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika.

Medienkompetenzen

Die Schülerinnen und Schüler

  • beschreiben, analysieren und interpretieren zentrale Elemente des während des Einstiegs gezeigten Bildimpulses und dekonstruieren die hier dargestellte zeitgenössische, verklärt-idealisierende Auffassungs- und Umgangsweise mit deutscher Kolonialherrschaft.

Autor

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Yannick Winkelmann

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