Energiebildung als gesellschaftliche Herausforderung

Die am Beispiel des Faches Physik vorgefundene Heterogenität zeigt das Ausmaß der Herausforderungen für eine anschlussfähige Energiebildung.

Große Herausforderung für eine anschlussfähige Energiebildung

Besorgniserregende Heterogenität im Fach Physik

Bereits diese ersten orientierenden Ergebnisse der Lehrplananalysen zeichnen ein eher ernüchterndes Bild. Die Bestandsaufnahme mit dem Fokus auf Physik zeigt exemplarisch das Ausmaß der Herausforderungen für eine anschlussfähige Energiebildung. Die vorgefundene Heterogenität ist insofern besorgniserregend, als das Fach eine Schlüsselfunktion für den Erwerb grundlegender konzeptueller Vorstellungen und anwendungsrelevanten Wissens im Energiebereich besitzt.

Leitlinie für Energiebildung fehlt

Es zeigt sich, dass Energiebildung für die Mehrzahl der Curricula keine durchgängig akzentuierte, kohärente und anschlussfähige thematische oder konzeptuelle Leitlinie darstellt. Hier besteht erkennbarer Handlungsbedarf! Angesichts ihrer gesellschaftlichen Bedeutung braucht Energiebildung die Verständigung auf einen akzeptierten Zielrahmen, der auch über Ländergrenzen hinweg trägt.

Handlungsbedarf bei allen Schulformen

Handlungsbedarf für die Konzeption einer zukunftsweisenden Energiebildung ergibt sich auch für die nicht-gymnasialen Schulformen, die neben dem Gymnasium zum mittleren Abschluss führen, insbesondere auch mit Blick auf die berufliche Qualifizierung und Orientierungen für das lebenslange Lernen. Bei den Plänen für Haupt-, Real- oder Regionalschulen spielt der Energiebegriff zumeist eine deutlich geringere Rolle. Im Vergleich zu den gymnasialen Lehrplänen ist die Heterogenität der Vorgaben bei diesen Schulformen noch größer.

Potenzial für Energiebildungsangebote ist vorhanden

Die Bestandsaufnahmen verweisen auf ein Bündel von Herausforderungen für die Gestaltung einer zukunftsweisenden Energiebildung, deren erfolgreiche Implementierung im Sinne der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft dringend geboten erscheint. Die Analysen zeigen, dass in einer Reihe von Lehrplänen Potenzial für die Umsetzung kohärenter und gesellschaftlich anschlussfähiger Energiebildungsangebote vorhanden ist.

Kohärenzanspruch als besondere Herausforderung

Insbesondere der Kohärenzanspruch stellt eine besondere Herausforderung dar, denn hier ist eine durchgängige fachlich und überfachlich kohärente Energiebildung gemeint, die über alle Jahrgangsstufen hinweg trägt. In Bezug auf eine systematische Kompetenzentwicklung und die Anschlussfähigkeit des Wissens über die einzelnen Schulstufen hinweg ist festzuhalten, dass die Vorgaben in den Lehr- und Bildungsplänen sich klarer an begründeten und nachvollziehbaren Kompetenzentwicklungsmodellen orientieren sollten, die Fragen der Energiebildung systematisch einschließen.

Vorschläge für eine zukunftsweisende Energiebildung

Energetische Phänomenen bereits in der Grundschule

Aufgeschlossenheit für und orientierendes Verstehen von energetischen Phänomenen müssen stärker als bisher bereits in der Grundstufe Berücksichtigung finden und als akzeptierte Ziele in den Lehrplänen implementiert werden. Im Bereich der frühen Begegnung in der Grundschule geht es um orientierende Erfahrungen von energetischen Phänomenen und Prozessen, die auf einer phänomenologischen Ebene sinnlich erfahren und begrifflich beschrieben werden. Auf dieser Ebene lassen sich bereits Bezüge zwischen Phänomenen und Abläufen herstellen und tragfähige Vorstellungen entwickeln, die auf eine Erweiterung und Vertiefung des weitgehend intuitiven Weltwissens der Kinder abzielen. Aufbauend auf den phänomenologischen Zugängen und einem qualitativen Energiebegriff können bereits auch erste quantitative Energiebetrachtungen in den Vordergrund rücken, die im weiterführenden Unterricht ausgeschärft und verallgemeinert werden.

Besserer Umgang mit Heterogenität in Sekundarstufe I

Für die Sekundarstufe I geht es um die Umsetzung von Maßnahmen zu einem besseren Umgang mit der Heterogenität der Lernenden. Nicht alle Schülerinnen und Schülern erreichen ein Verstehen grundlegender Konzepte wie Energieerhaltung oder Energieentwertung am Ende der Sekundarstufe I und deren Rolle im Kontext der Lebenswelt. Neben der Kompetenzentwicklung stellt sich in dieser Altersstufe auch die Entwicklung des Interesses problematisch dar. Von der Interesseabnahme ist der naturwissenschaftlich-technische Bereich besonders stark betroffen. Projekte zur Unterrichtsentwicklung, die sich in das Umfeld des forschenden Lernens (Inquiry Based Learning) einordnen, sind erfolgversprechend, diesen Tendenzen entgegenzuwirken. Sie zielen auf eine Verstärkung von aktivierenden Unterrichts- und projektartigen Arbeitsformen, welche die traditionellen vermittelnden Unterrichtsmethoden erweitern. Aspekte der Berufsorientierung sollten dabei (speziell auch im gymnasialen Bereich) ein größeres Gewicht erhalten.

Perspektiven erweitern in Sekundarstufe II

In der Sekundarstufe II gilt es zu berücksichtigen, dass auch im Zuge der Schulzeitverkürzung eine weitgehende Einengung des Lernens auf innerfachliche Aspekte erfolgt. Die Gestaltung von Energieprojekten in einem überfachlichen Rahmen sowie die Einbindung von außerschulischen Partnern und Lernorten könnten hier hier die Perspektiven entscheidend erweitern und zu einer besseren Profilbildung beitragen.

Ausblick

Kompetenzen im Energiebereich für unser Bildungssystem

Konsens besteht darüber, dass der Bildung eine Schlüsselfunktion zukommt, um die gegenwärtig und künftig erforderlichen gesellschaftlichen sowie technologischen Wandlungsprozesse im Energiesektor nachhaltig umsetzen zu können. Besser noch als in der Vergangenheit muss unser Bildungssystem Kompetenzen im Energiebereich entwickeln und ein Bewusstsein für die enge Verflechtung wissenschaftlicher und technologischer Innovationen mit gelingender ökonomischer, ökologischer und sozialer Entwicklung der Gesellschaft schaffen. Mehr als nur abstrakt besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler derzeit in einem nicht ausreichenden Maß für eine kompetente Auseinandersetzung mit diesem Problemkomplex vorbereitet werden.

Potenzial der Energiebildung nutzen

Vor dem Hintergrund dieser noch vielfältig zu leistenden veränderten Zugänge ist zu hoffen, dass eine Verstärkung der Bildungsanstrengungen im Energiebereich eine Hebelwirkung auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems entfaltet. Energiebildung verfügt über das Potenzial, sowohl allgemeinbildend in die Breite aber auch in die Spitze zu wirken, um kreative Köpfe für dieses spannende aber auch herausfordernde und gesellschaftlich höchst bedeutsame Feld zu gewinnen.

Weitere Arbeitsschritte der Energiebildungsstudie

Im Rahmen der weiteren Arbeitsschritte der Energiebildungsstudie sollen engagierte und kreative Lehrkräfte für eine Mitarbeit gewonnen werden. Es gilt es zu klären, wie Lehrerinnen und Lehrer in der Schulpraxis mit Energiethemen umgehen, welche Beispiele guter Praxis bereits erfolgreich umgesetzt werden und welche Veränderungsmöglichkeiten aus der Perspektive der Schule bestehen.

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Prof. Dr. Manfred Euler

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